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Auf der Reeperbahn nachts um halb eins (1969) Rolf Olsen

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Hannes (Curd Jürgens) kommt nach acht Jahren wieder frei
Inhalt: Der nächtliche Einbruch in eine Apotheke im Stadtteil St.Pauli endet tödlich für den Besitzer, aber von den Tätern, die ihre Beute an einen anonym bleibenden Kontaktmann weiter reichen, fehlt jede Spur. Das organisierte Verbrechen hat längst die Reeperbahn im Griff. Auch für Pit Pitter Pittjes (Heinz Reincke), der ein altmodisches Hippodrom betreibt, sind Schutzgelderpressungen Alltag, aber mehr noch hat er Probleme mit dem Gerichtsvollzieher, der ihm auch noch seine Pferde pfänden will. In Zeiten, in denen nur noch Sex zählt, hat sein Etablissement längst ausgedient.

Hannes und sein bester Freund Pitter (Heinz Reincke)
Währenddessen wird sein alter Freund Hannes (Curd Jürgens) nach acht Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Sein erster Weg führt ihn gezwungenermaßen zum Kommissariat, wo ihn Kriminalrat Norbert Krause (Konrad Georg) empfängt, um ihn davor zu warnen, das Gesetz in eigene Hände zu nehmen. Denn Hannes beteuert nach wie vor seine Unschuld und will beweisen, dass ein Anderer seine damalige Geliebte ermordet hat. Nur so hat er eine Chance, seinen Ruf wiederherzustellen und damit sein Kapitänspatent zurückzuerhalten. Doch nach acht Jahren hat sich die Welt draußen stark verändert…

Nach zwei St.Pauli-Filmen wagte sich Rolf Olsen 1969 an einen Klassiker: "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins"  von 1954 mit den großen Stars Hans Albers und Heinz Rühmann in den Hauptrollen. Damals eine gleichwertige Besetzung gewichtete Olsen seine freie Interpretation wieder in Richtung des erfahrenen Seemanns "Hannes" - eine idealtypische Rolle für seinen favorisierten Hauptdarsteller Curd Jürgens.

Offensichtlich hatten die Macher der DVD zu Olsens Film nur das Original gesehen. Anders ist der Hüllentext "Hannes ist bis vor kurzem zur See gefahren, doch die Wehmut verschlägt ihn zurück nach St.Pauli, wo er sich zur Ruhe setzen will" nicht zu verstehen, der exakt den Inhalt des 54er Films wiedergibt. Auch das Cover-Foto, dass zwei Sekunden vor dem Filmende aufgenommen wurde, zeugt von wenig Kenntnis über Olsens Film. Nichtsdestotrotz eine lohnenswerte Anschaffung.







Hannes trifft alte Bekannte (Birke Bruck)
Ein Jahr nach "Der Arzt von St.Pauli" (1968) holte sich Regisseur Rolf Olsen erneut Curd Jürgens ans Set, um mit ihm einen weiteren St.Pauli-Film zu drehen. Diesmal sollte der charismatische Schauspieler in besonders große Fußstapfen treten, denn Olsen plante ein Remake des 1954 erschienenen „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“. Darin hatte das Hamburger Urgestein Hans Albers die Rolle des „Hannes“ gespielt, seine eigene Rolle als „Singender Seemann“ aus dem Helmut-Käutner-Film „Große Freiheit Nr.7“(1944) zitierend, der den titelgebenden Schlager berühmt gemacht hatte. Albers zur Seite stand Heinz Rühmann als sein bester Freund Pittes, bei Olsen eine Rolle für Heinz Reincke, der neben Curd Jürgens zur Stammbesetzung der St.Pauli-Filme zählte. Doch während die Rollen der Filmstars Rühmann und Albers in der 54er Version gleichwertig angelegt waren, stand Reincke erwartungsgemäß im Schatten von Curd Jürgens, auf den die gesamte Handlung zugeschnitten wurde.

Hannes und Pitter: singend durch die Nacht auf der Reeperbahn
Diese unterschiedliche Gewichtung lässt schon erkennen, dass Rolf Olsen das Remake sehr frei interpretierte. In den Credits seines Films tauchten die Autoren der 54er Version konsequenterweise nicht auf - verantwortlich für das Drehbuch war allein der Regisseur, der der Handlung seinen gewohnten „Sex and Crime“- Stempel aufdrückte. Zudem war Curd Jürgens anders als Hans Albers kein großer Sänger, sollte aber ein paar der klassischen Reeperbahn-Schlager intonieren, was Olsen in einer zentralen Szene unterbrachte: Hannes (Curd Jürgens) und Pit Pitter (Heinz Reincke) streifen eine Nacht lang über die Reeperbahn, immer ein Lied auf den Lippen. Eine Parallele zum Albers/Rühmann-Film, in dem die beiden Protagonisten ebenfalls mit einer gemeinsamen Nacht auf der Reeperbahn ihr Wiedersehen feierten, aber interessanter sind die Unterschiede, die viel über die soziokulturelle Entwicklung der BRD in den voraus gegangenen 15 Jahren aussagen.

Der Kriminalrat (Konrad Georg) warnt Hannes
Hannes Rückkehr nach acht Jahren ist hier nicht der Seefahrt geschuldet, sondern einer langjährigen Gefängnisstrafe, die der frühere Kapitän wegen des Mordes an seiner Geliebten ableisten musste. Entsprechend desillusioniert spielte Jürgens einen Mann, der seine Unschuld beweisen will, um seinen Ruf wieder herzustellen – die einzige Chance, sein Kapitänspatent wieder zurück zu erhalten. Im Gegensatz zum gut gelaunt vom Schiff kommenden Hans Albers wird der Hannes der späten 60er sogleich mit Schutzgelderpressung, Mord und den kriminellen Machenschaften des nach außen hin ehrenwert auftretenden Geschäftsmanns Lauritz (Fritz Tillmann) konfrontiert, dessen Ehefrau es war, die Hannes angeblich tötete. Gegenüber dem hier von Olsen entfalteten Moloch wirkt die aufgesetzte Kriminalhandlung des Originals wie Sozialromantik, auch wenn der Regisseur hinsichtlich der Gewaltdarstellungen im Vergleich zu seinem „Der Arzt von St.Pauli“ zurückhaltender blieb.

Schutzgelderpresser (Karl-Otto Alberty und Erik Schumann) bei Pitter
Die Rettung des verschuldeten und aus der Mode geratenen Reeperbahn-Etablissements von Freund Pit, die im Rühmann/Albers-Film noch im Mittelpunkt stand, spielte hier dagegen kaum noch eine Rolle. Zwar zitierte Olsen die Szenen mit den falschen Etiketten für den Billigwein und die Rettung der Dressurpferde vor dem Schlachthaus, aber an eine Zukunft mit neuer Einrichtung und modernem Show-Programm glaubte hier Niemand mehr. Um die Finanzierung dafür zu übernehmen, fehlte Hannes - anders als seinem potenten Vorgänger - auch schlicht das nötige Kleingeld. Während der 54er Film einen ungebremsten Optimismus ausstrahlte, der soziale Schranken und finanzielle Schwierigkeiten mühelos überwand, entfaltete Olsen einen pessimistischen Blick auf eine dekadente und egoistische Gesellschaft – und nutzte diesen Hintergrund wie in „Der Arzt von St.Pauli“ für den Kampf des Einzelgängers gegen alle Widrigkeiten.

Hannes ist von Antje (Jutta D'Arcy) begeistert
Die Reeperbahn gab dafür den so faszinierenden, wie verkommenen Handlungsort ab, während sie dem sonst braven Geschehen im 50er Jahre Original einen Hauch von Unmoral verlieh. Die damals gewagte Konstellation um Pits Tochter Antje (Jutta D’Arcy) wurde von Olsen konkreter und authentischer angepackt. Hannes ist ihr leiblicher Vater, erfuhr aber nie davon, da Pit seine schwangere Freundin während er auf See war heiratete, um das Kind zu legitimieren. Antjes Mutter war früh verstorben, aber anders als seinem Vorgänger Heinz Rühmann wurde Reincke keine Pseudo-Ehefrau zur Seite gestellt, die die hausfraulichen Pflichten erledigte, ohne dem liebenden Vater Emotionen abzuringen. Den Job übernahm hier Cousine Martha, gewohnt resolut von Heidi Kabel gespielt. Auch stand noch kein zukünftiger Schwiegersohn aus reichem Haus parat, sondern verliebt sich Antje in ihren eigenen, höchst charmanten Vater.

Gemeinsam auf Helgoland kommen sie sich näher
Da Pit sich nicht überwinden kann, seinem Freund die Wahrheit zu sagen, kommt es wie im Original zum gemeinsamen Ausflug von Antje und Hannes nach Helgoland. Nur ein Zufall verhindert, dass sie sich küssen. Ein Wagnis, dass der 50er Jahre Film nicht einging. Die Fahrt nach Helgoland diente im Original nur dem Zweck, der Tochter und ihrem Verehrer ein paar gemeinsame Stunden zu verschaffen, heimlich von Hannes am unwilligen Schwiegervater vorbei organisiert. Nur ein Missverständnis brachte Pit dazu, seinen Freund über seine Vaterschaft aufzuklären – bei Olsen ist er dazu gezwungen. Auch die Konsequenzen daraus sind im Nachfolger ehrlicher. Kein künstlich dramatisierter Konflikt trennt die Freunde, da Hannes Pits Beweggründe versteht.

Die feine Gesellschaft um Unternehmer Lauritz (Fritz Tillmann)
Die Souveränität des alles beherrschenden Curd Jürgens bleibt das bestimmende Element in Olsens Film, der viel anreißt, aber wenig vertieft. Die privaten Szenen um die Tochter (Diana Körner) des kriminellen Unternehmers Lausitz nehmen leider zu wenig Raum ein im aktionistischen Geschehen – ihre Empörung über Hannes, für sie der verurteilte Mörder ihrer Mutter, ihr Verhältnis zum Vater, die Party in dessen Villa oder ihre angedeutete Liebesbeziehung zu Till Schippmann (Fritz Wepper) bleiben Momentaufnahmen, höchstens für kurze Nacktszenen geeignet. Wepper, an beiden vorherigen unter der Regie Olsens entstandenen St.Pauli-Filmen beteiligt, wird hier zum reinen Stichwortgeber, ohne seiner Rolle eigene Konturen geben zu können. Das gilt auch für die Vielzahl an Schlägern und gedungenen Mördern, die hier die Leinwand bevölkern – selbst prägnante Darsteller wie Erik Schumann und Karl-Otto Alberty konnten sich nur wenig profilieren.

Nebenfiguren: Till (Fritz Wepper) und Unternehmertochter (Diana Körner)
Entscheidend für die Wirkung des Films war das nicht, worin sich beide Versionen von „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ wieder gleichen. Zwar hatte sich die Reeperbahn seit Mitte der 50er Jahre parallel zur allgemeinen Liberalisierung in Westdeutschland verändert, aber sie behielt als Ort der Extreme weiterhin die Hoheit über das Handeln der hier lebenden Menschen. Am Ende verlässt Hannes wie zuvor in „Große Freiheit Nr.7“ und der 54er Version wieder diesen Ort der Sehnsucht, um aufs Meer zurückzukehren. Doch diesmal ohne das schwermütige Gefühl des Scheiterns an Land, sondern voller Vorfreude auf die Seefahrt – und begleitet von Pitter. Das wäre Heinz Rühmann in seiner Rolle damals nicht eingefallen.

"Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" Deutschland 1969, Regie: Rolf Olsen, Drehbuch: Rolf Olsen, Darsteller : Curd Jürgens, Horst Naumann, Heinz Reincke, Fritz Wepper, Jutta D'Arcy, Diana Körner, Fritz Tillmann, Erik Schumann, Christiane Rücker, Hans-Otto Alberty, Konrad Georg, Laufzeit : 98 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Rolf Olsen:

Die Nichten der Frau Oberst (1968) Erwin C.Dietrich

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Inhalt: „Frau Oberst“ Clarissa (Kai Fischer), junge Witwe eines Offiziers, verbringt die Nacht mit Alexander (Heiner Hitz), der ihr am nächsten Morgen seine Liebe schwört und sie heiraten will. Amüsiert über so viel Begeisterung macht sie ihm schnell klar, worum es ihr wirklich geht und stellt ihm ihre zwei Nichten Florentine (Tamara Baroni) und Julia (Heidrun Hankammer) vor. Diese sind nach ihrem Geschmack zu sehr aneinander interessiert, weshalb sie sie schnell an den Mann bringen will. Florentine gefällt Alexander mehr als die scheinbar nur für ihre Pferde schwärmende Julia und er heiratet sie.

Doch auch für Julia hat „Frau Oberst“ schon einen Plan. Der Lebemann und Frauenheld Gaston (Claus Tinney) scheint ihr geeignet, Julia auf andere Gedanken zu bringen, aber nicht ohne ihn zuvor selbst eine Nacht für sich zu haben. Auch Gaston will sie sogleich am nächsten Morgen heiraten, soll sich aber um die zweite Nichte kümmern. Keineswegs ohne Erfolg, aber Julia verlangt zuerst geheiratet zu werden, bevor sie mit ihm ins Bett geht…


"Die Nichten der Frau Oberst hat vermutlich nicht nur mich und meine Zukunft verändert, sondern auch Diejenige der ganzen deutschen Kinowelt..." (Zitat Erwin C.Dietrich, E-Mail Interview 01/2015)

Klappte es im Bett bei "Frau Oberst" (Kai Fischer) noch wunderbar...
Diese von Erwin C. Dietrich in unterschiedlichen Publikationen zuvor schon in ähnlicher Form gemachte Aussage, lässt sich an Hand eindeutiger Fakten belegen. Dietrich selbst, der als Produzent begonnen hatte, um zunehmend als Drehbuchautor und Regisseur stärker in den Entstehungsprozess seiner Filme einzugreifen, kämpfte seit Jahren um das Überleben seiner Verleih- und Produktionsfirma. Seit seinem Einstieg ins Erotik-Genre mit "Schwarzer Markt der Liebe" (1966) hatte er weitere fünf erotische Filme herausgebracht - zuletzt "Hinterhöfe der Liebe" (1968) unter eigener Regie -, aber ein durchschlagender Erfolg wollte sich nicht einstellen. Immerhin hatte sich inzwischen ein festes Team herausgebildet, bestehend aus dem Kameramann Peter Baumgartner ("St.Pauli - zwischen Nacht und Morgen", 1967), dessen Onkel Walter Baumgartner als Filmkomponist ("...und noch nicht sechzehn", 1968) und den männlichen Darstellern Peter Capra ("Unruhige Töchter", 1968) und Claus Tinney ("Schwarzer Markt der Liebe").

...ging für Alexander (Heiner Hinz) bei Florentine (Tamara Baroni) nichts mehr.
Mit ihnen nahm Dietrich auch "Die Nichten der Frau Oberst" in Angriff, ergänzt durch attraktive Darstellerinnen, die bereit waren sich nackt vor der Kamera zu zeigen - 1968 alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Entsprechend häufig war Dietrich auf Newcomerinnen angewiesen, die erst Erfahrungen als Schauspielerinnen in größeren Rollen sammeln mussten - teils mit Erfolg (Rosemarie Heinikel ("...und noch nicht sechzehn"), Ingrid Steeger ("Ich, ein Groupie", 1970)), teils ohne große Nachwirkungen. Das traf auch auf Heidrun Hankammer und die damalige italienische "Skandalnudel" Tamara Baroni in den Nichten-Rollen zu, die über ihr hübsches Äußeres hinaus nur wenig überzeugen konnten. Dafür hatte Dietrich mit Kai Fischer eine so erfahrene ("...denn das Weib ist schwach" (1961)) wie erotische Schauspielerin für die Rolle der Frau Oberst engagieren können, die sich aber entgegen ihrer früheren Aussage bei den Dreharbeiten nicht mehr ausziehen wollte.

Weder Tropfen...
Neben der Regie kümmerte sich Erwin C. Dietrich auch selbst um das Drehbuch, so dass sich das Gesamtpaket kaum von seinen Vorgängern unterschied. Trotzdem wurde „Die Nichten der Frau Oberst“ zum erfolgreichsten Film des Jahres 1968, der die kommerzielle Basis nicht nur für Dietrichs zukünftige Filmproduktionen schuf, sondern generell zum Durchbruch für den erotischen Unterhaltungsfilm im prüden Deutschland wurde. Der Anfang 1968 in die Kinos gekommene Oswald-Kolle-Film „Das Wunder des Lebens“ (Regie Franz-Josef Gottlieb) musste sich mit seiner dokumentarisch-aufklärerischen Schwarz-Weiß-Optik noch vom verpönten Sex-Film abgrenzen. Trotzdem verzeichnete er schon hohe Besucherzahlen, konnte aber mit Dietrichs Film nicht mithalten, obwohl dieser schlechte Kritiken erhielt:

„Film ist größte Scheiße des Jahrhunderts! Zurückziehen!“

...noch Kneippkur helfen
telegrafierte der Düsseldorfer Avis-Filialleiter Koschella (Quelle „Mädchen, Machos und Moneten“, Eppenberger/Stapfer) an Dietrich, kurz nachdem der Film in die Kinos gekommen war. Doch dann nahmen die Kartenverkäufe in einem Ausmaß zu, der auch für die Beteiligten überraschend kam – der Versuch einer Erklärung:


Die Nichten kommen

Seine Frau amüsiert sich derweil woanders
Im Gegensatz zu seinen ersten Erotik-Produktionen legte Dietrich seinen neuen Film massenkompatibler an und verzichtete sowohl auf exploitive Elemente, als auch einen zu starken Bezug zur Gegenwart. Spielte Bénazérafs avantgardistischer „St.Pauli – zwischen Nacht und Morgen“ im Unterwelt-Milieu, spitzte die Story um „Unruhige Töchter“ die sich verändernden Geschlechterrollen zu und war „…und noch nicht sechzehn“ ein Konglomerat aus Crime, sexueller Revolution und frivolem Gesang, erging sich „Die Nichten der Frau Oberst“ in langen Einblendungen einer sonnenüberfluteten mediterranen Landschaft. Eine prächtige Villa und schön eingerichtete Räume gaben den Hintergrund für ein luxuriöses Landleben, das genügend Zeit für lange Ausritte, ein erfrischendes Seebad oder das obligatorische Liebesleben beließ – entsprechend sparsam und ruhig blieb der Erzählfluss.

Die Naturaufnahmen erinnern an "Tanja - die Nackte von der Teufelsinsel" (1967)
Die so erzeugte Wirkung auf das damalige Publikum ist nicht zu unterschätzen. Nacktheit und sexueller Lust wurden die Direktheit und damit das Anrüchige genommen, einzig Frau Oberst (Kai Fischer) als erfahrene Witwe darf es ein wenig krachen lassen. Die Zurückhaltung in der erotischen Inszenierung lässt sich gut an einer späten Szene ablesen, die von Florentines (Tamara Baroni) Betrug an ihrem Ehemann Alexander (Heiner Hitz) erzählt. Während Alexander in Kur verweilt, vertreibt sich seine Frau mit einem Schönling die Zeit an südlichen Gestaden. In langsamem Rhythmus wechselt der Film die Perspektive zwischen den Eheleuten, bis Alexander, der seine Frau überraschend besuchen wollte, sie aus Entfernung beim Liebesspiel am Strand beobachtet – und ohne Einzugreifen wieder davon geht. Trotz der aktuellen Optik, der modischen Kleidung und zeitgeistigen Sprache, haftete dem Film etwas Altmodisches an, schien er sich nicht zwischen 19. und 20. Jahrhundert entscheiden zu können. Genauer - zwischen Maupassants Erzählung und einer modernen Interpretation des Stoffs.

„Dietrichs Recherchen ergaben, dass der echte Maupassant eine Erzählung mit diesem Titel nie verfasst hatte, das beworbene Buch demnach das Werk eines neueren Ghostwriters sein musste, der das Buch dem bekannten französischen Romancier unterschob.“ (Quelle „Mädchen, Machos und Moneten“, Eppenberger/Stapfer)

Gaston (Claus Tinney) lässt sich von "Frau Oberst" nicht mehr überreden...
Ein Irrtum, denn Guy de Maupassant veröffentlichte „Les Cousines de la Colonelle“ 1886 gemeinsam mit anderen Geschichten, weshalb er nicht als originärer Romantitel existiert. Ob die in einer Illustrierten auf Deutsch veröffentlichte Erzählung, auf die der Regisseur damals aufmerksam wurde, frei umgesetzt wurde oder ob Dietrich sich die Ausgangssituation selbst erdachte, entzieht sich meiner Kenntnis. Zumindest die überall im Internet verbreitete Inhaltsangabe des Maupassant-Romans ist falsch und ein Beispiel für die unkritische Übernahme nicht selbst recherchierter Texte. Anders als im Film, in dem die Tante die beiden Schwestern beim gemeinsamen Liebesspiel erwischt, sind Florentine und Julia bei Maupassant zu Beginn noch sexuell unerfahren. Sie werden von ihrer über 60jährigen Tante nicht an den Mann gebracht, um voneinander abzulassen, sondern um sie für die Zukunft abzusichern – dabei penibel auf Etikette und Moral achtend.

...verzockt erst sein Geld beim Roulette...
Nach der Vermählung von Florentine mit dem viel älteren, aber sehr wohlhabenden Georges beschreibt Maupassant ihre sexuelle Erweckung so erotisch wie einfühlsam. Florentine, die nichts vom männlichen Geschlecht weiß, begreift zuerst nicht, dass sie noch gar nicht entjungfert wurde, weil ihr Mann Erektionsstörungen hatte. Hier zeigen sich erste Parallelen zu Dietrichs Drehbuch. Dieser verjüngte zwar die Tante und ließ sie zuerst mit den für ihre Nichten gedachten Männern schlafen, aber die weitere Entwicklung entsprach Maupassants Vorlage. Die Rolle des Georges nimmt hier Alexander Monty (Heiner Hitz) ein, der sich als junger Mann mit den Problemen des viel Älteren herumschlagen muss. Schon die spontane Hochzeit der beiden jungen Leute - selbstverständlich vor dem ersten Geschlechtsverkehr - wirkt im Umfeld der promiskuitiven Tante wie ein Stilbruch. Erst recht fehlt den Erektionsstörungen, den vom Arzt dagegen verschriebenen Tropfen und der wegen lebensgefährlicher Überanstrengung verordneten sechswöchigen Kur die Glaubwürdigkeit - nachdem es zuvor bei Tantchen bestens geklappt hatte.

...um dann die reiche Erbin Wilhelmine (Britt Lindberg) zu heiraten
Auch Claus Tinney als Gaston wandelte auf Maupassants Spuren. Er bändelt mit Julia (Heidrun Hankammer) an, kann sie aber nicht heiraten, weil ihn sonst seine Tante Martha von Stein (Elfriede Volker) enterbt, auf deren finanzielle Unterstützung er angewiesen ist. Diese vom französischen Romancier schlüssig entwickelte Konstellation um einen Playboy und Lebemann, bleibt im Film oberflächlich. Beliebig setzte Dietrich einzelne Story-Elemente zusammen, darunter auch eine Szene, in der Gaston viel Geld beim Roulette verliert, ohne dessen Spielsucht zu erwähnen. Anders als die Julia bei Maupassant, die sich trotz des drohenden Ehrverlusts auf ihren Geliebten einlässt, erweist sich die Julia im Film als prüder. Sie beharrt auf ein Ehegelübde vor dem Geschlechtsverkehr und bringt Gaston damit zur Weißglut. Selbst dessen sehr direkte „Überredungsversuche“ helfen ihm nicht weiter, weshalb er seine Bemühungen um sie wieder einstellt. Die Absicht hinter dieser wenig romantischen Änderung gegenüber Maupassant liegt auf der Hand. Dass Gaston, als er seine Tante überreden will, ihn von seinem Versprechen loszusagen, die reiche Erbin Wilhelmine (Britt Lindberg) kennenlernt, verführt und sogleich heiratet, bedeutete im Roman einen Vertrauensbruch gegenüber Julia. Seine Liebesschwüre erwiesen sich als leer. Diese Verlogenheit fehlt in der Verfilmung.

Da bleiben Julia (Heidrun Hankammar) und Florentine lieber unter sich
Die Konsequenz ist im Film wie im Buch letztlich dieselbe. Julia und Florentine sind wieder ohne Männer vereint. Bei Guy de Maupassant kam es aber erst jetzt, zu Beginn des zweiten Teils der Erzählung, zu einer sexuellen Interaktion - selbstverständlich ohne die empörte Reaktion der sonst so tolerant daher kommenden Tante. Obwohl Dietrich mit der jungen, sexuell aktiven „Frau Oberst“ und der angedeuteten lesbischen Beziehung ihrer Nichten, einen sexploitiven Aufreißer wählte, ist sein in der Gegenwart der später 60er Jahre spielender Film verklemmter als die literarische Vorlage aus dem 19.Jahrhundert. Brach dort Maupassant bewusst mit den moralischen Standards seiner Zeit, ist der Verfilmung die Anpassung an die konservative Haltung in der damaligen BRD deutlich anzumerken. Dass Dietrich auch anders konnte, ist in den kurzen Szenen mit dem lüsternen Priester (Peter Capra) und der Vergewaltigung durch den Stallknecht zu erkennen, die an seine früheren Filme erinnern. In „Die Nichten der Frau Oberst“ wählte er aber den Mittelweg zwischen klassischer Erotik und sanften Soft-Sex-Bildern bei möglichst geringen Provokationen vorherrschender Moralvorstellungen – und traf damit voll den Zeitgeschmack.

"Die Nichten der Frau Oberst" Deutschland, Italien 1968, Regie: Erwin C.Dietrich, Drehbuch: Erwin C.Dietrich, Claude Martin, Guy de Maupassant (Roman), Darsteller : Kai Fischer, Heidrun Hankammer, Tamara Baroni, Claus Tinney, Peter Capra, Giuseppe Cardillo, Heiner Hitz, Britt Lindberg, Laufzeit : 90 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Erwin C.Dietrich:

Die Nichten der Frau Oberst (1980) Erwin C.Dietrich

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Inhalt: „Frau Oberst“ Yanne (Karine Gambier), junge Witwe eines Offiziers, sorgt sich um ihre hübschen Nichten Florentine (Pascale Vital) und Julia (Brigitte Lahaie), die sich mehr miteinander vergnügen als mit Männern. Dabei steht Stallknecht Erik (Eric Falk) immer zur Verfügung und Florentine wird heftig von Simon (Mike Montana) umworben, der sie heiraten möchte. Selbstverständlich will sich die Angebetete vorher von dessen Qualitäten als Liebhaber überzeugen.

Auch für Julia hat Frau Oberst schon einen geeigneten zukünftigen Ehemann im Blick, einen Maler, den sie zuerst selbst ausprobieren will. Als sie sich in seiner Nähe über einen Maiskolben hermacht, braucht er nicht lange, um sie mit etwas Geeigneterem zu beglücken, womit er seine Prüfung schon bestanden hat. Auch auf dem von ihr geleiteten Gutshof kommt Bewegung in die Beziehungs-Konstellationen, nur „Frau Oberst“ scheint ihr Witwendasein noch allein fristen zu müssen…


Das "Nichten" - Double von 1968 und 1980 wirkt angesichts der selben Hintermänner Erwin C.Dietrich, Peter und Walter Baumgartner, sowie der Romanvorlage von Guy de Maupassant wie Original und Remake - oder wie der zweite Versuch, die Kuh nochmal zu melken. Eine oberflächliche Betrachtungsweise, denn die beiden Versionen stehen für den Anfang und das Ende der Karriere von Erwin C.Dietrich als Regisseur und mit Abstrichen auch als Drehbuchautor und Produzent. 

Und damit des Mannes, der den deutschsprachigen Sex-Film nicht nur prägte, sondern mehr als jeder Andere über die gesamte Phase von Mitte der 60er Jahre bis zu den frühen 80er Jahren intensiv begleitete - und damit alle Bewegungen des jungen, unmittelbar auf die soziokulturellen Veränderungen reagierenden Genres miterlebte. Der Vergleich beider Versionen gibt dank der ähnlichen Voraussetzungen einen Einblick in dessen rasante Entwicklung vom Aufstieg bis zum einsetzenden Niedergang.


Erbost unterbricht "Frau Oberst" (Karine Gambier) ..
Seit "Die Nichten der Frau Oberst" 1968 zum Publikumsrenner geworden waren, hatte es Erwin C.Dietrich wiederholt verstanden, Erfolgsformeln am Kinomarkt zu nutzen. "Mein Bett ist meine Burg" nannte sich der 1969 erschienene 2.Teil über die Nichten, in dem er zuvor nicht genutzte Szenen verarbeitete, und mit "Weiße Haut auf schwarzem Markt" (1969) sowie "Schwarzer Nerz auf zarter Haut" (1970) setzte er auf die Erinnerung des Publikums an seine frühe Produktion "Schwarzer Markt der Liebe" (1966). Zu einem Zeitpunkt, als Pornografie in Deutschland noch nicht legalisiert war, wandelte Dietrich die US-Porno-Filme "The devil in Miss Jones" und "Whatever happened to Miss September?" von 1973 in eine Softcore-Variante für den deutschen Markt. Obwohl beide Filme kaum Parallelen zu ihren berühmt-berüchtigten Vorbildern aufwiesen, spielten deren Titel "Der Teufel in Miss Jonas" (1974) und "Was geschah wirklich mit Miss Jonas?" (1974) unmissverständlich darauf an. Und liefen ebenso erfolgreich in den Kinos wie Dietrichs diverse Mädchen-Filme, die es von "Mädchen mit offenen Lippen" (1972) bis "Mädchen im Nachtverkehr" (1976) auf acht Ausgaben brachten.

...die Vergnügungen ihrer Nichten 
Von 1979 bis 1983 folgten noch drei Filme über "Sechs Schwedinnen". Was läge da näher, als auch den 1980 gedrehten "Die Nichten der Frau Oberst" in diese Reihe einzuordnen? - Eine Betrachtungsweise, die auslässt, dass Dietrich zwar gerne mit ähnlich klingenden Titeln jonglierte, keinen Film aber konkret wiederholte. Zudem gelten 12 Jahre im Film-Business als großer zeitlicher Abstand, um sich an einen früheren Erfolg anzuhängen, im noch jungen Erotik-Genre umfassten sie eine ganze Epoche. Entsprechend stehen die beiden "Nichten" - Filme für nicht weniger als für den Anfang und das Ende einer Phase in Deutschland, die ausgehend von der Liberalisierung der 60er Jahre einen Boom erlebte, der ab der Legalisierung der Pornografie Mitte der 70er wieder abebbte und in den frühen 80er Jahren ausklang. Die 68er Verfilmung des Guy de Maupassant-Romans sorgte dank des großen Publikumszuspruchs für die notwendige Akzeptanz am deutschen Kino-Markt und die 80er Variante gehörte zu den letzten Softcore-Filmen unter Dietrich, dessen Karriere als Regisseur größtenteils zwischen diesen beiden Fixpunkten stattfand.

Julia (Brigitte Lahaie) und Florentine (Pascale Vital) begeben sich auf die Suche...
Die Unterscheidung Soft-/Hardcore ist eine Erfindung der späten 70er Jahre, denn als der erste "Nichten"-Film herauskam, konnte von Hardcore noch keine Rede sein. Mitte der 70er Jahre hatte auch Dietrich mit zwei Fassungen seiner Filme experimentiert, war aber während der Zusammenarbeit mit Jesùs Franco (siehe "Die 70er Jahre Erotik-Connection") wieder von den expliziten Darstellungen abgekommen und pflegte in seinen letzten Regie-Arbeiten eine rein auf das weibliche Geschlecht konzentrierte Sichtweise, die nur sanft die Grenze zur Pornografie streifte. Geschlechtsakt und männliche Attribute wurden nur angedeutet, während die dem Hardcore-Bereich entstammende Riege attraktiver Darstellerinnen unverkrampft vor der Kamera agierte. Allen voran Brigitte Lahaie, die in Dietrichs letzten Filmen zu seiner festen Größe wurde.

...nach Männern, doch die Dorfjugend erkennt ihre Chancen nicht
"Die Nichten der Frau Oberst" wirkt aus heutiger Sicht wie ein letzter Versuch, das nicht explizite erotische Genre noch über die Zeit zu retten. Dietrich kombinierte ausgiebige Nacktdarstellungen mit langen Einblendungen des historischen Anwesens und der landschaftlichen Umgebung, die Story selbst auf ein Minimum reduzierend. Damit befand er sich auf der Höhe der Zeit, denn auch der Hardcore-Film hatte die Hochphase des Story-Tellings schon überschritten, mit dem er in den 70er Jahren versuchte, explizite Darstellungen mit einer schlüssigen Handlung zu verbinden, um die Akzeptanz beim bürgerlichen Publikum zu erhöhen. Mit dem beginnenden Siegeszug des Videos und dem gleichzeitigen Sterben der großen Pornofilm-Kinos verschwand diese Absicht zunehmend zugunsten möglichst umfangreicher Darstellungen sexueller Interaktionen.

Da sind Simon (Mike Montana) und...
In Dietrichs Film halten sich die Damen entsprechend kaum mit hochgeschlossener Kleidung auf, sondern tragen nur das nötigste, dessen sie sich möglichst schnell entledigen können. Selbst beim Reiten ist Florentine-Darstellerin Pascale Vital fast nackt, überwindet bemerkenswert gut den Hindernis-Parcours und springt auch mit Stöckelschuhen elegant vom Pferd. In der Inszenierung der attraktiven Frauen liegt die Stärke des Films, gewohnt gekonnt von Kameramann Peter Baumgartner umgesetzt und mit Walter Baumgartners Filmmusik unterlegt, dem eine eingängige, die luftige Liebeswelt auf dem Land betonende Melodie gelang. Leider auch die einzigen Vorzüge eines Films, der sich in seiner 90minütigen Laufzeit zunehmend wiederholt, in dem er die Damen und größtenteils aus Bediensteten bestehenden Herren nach immer gleichem Muster in allen Variationen kombinierte.

...Erik (Eric Falk) von anderem Kaliber
Dass die 80er Variante moderner wirkt als der 68er Erstling scheint zwingend, liegt aber nicht nur an den ausgiebigeren Nacktaufnahmen, sondern dass sich seitdem nicht mehr viel im Softcore-Genre getan hat. Der reine Erotik-Film spielt in der deutschen Kinolandschaft seit den frühen 80er Jahren keine Rolle mehr. „Die Nichten der Frau Oberst“ markierten schon das Ende einer Entwicklung, die sich rasant von den stark reglementierten Filmen der 60er Jahre über die Report-Filme und krachledernen Sex-Komödien bis zur selbstzweckhaften Darstellung sexueller Handlungen bewegt hatte - bei gleichzeitigem Verlust erzählerischer Qualitäten. Der Verweis auf Guy de Maupassant ist hier nur noch Marketing, denn außer den weiblichen Vornamen und der für ihre Nichten sorgenden Tante blieb nichts mehr von der 1886 erschienenen Romanvorlage „Le cousine de collonelle“ übrig.

Doch vor der Verehelichung bedarf es noch des Urteils der Frau Oberst...
Dietrichs Drehbuch zur 68er Version hatte sich noch an Maupassant orientiert (siehe meine Analyse zu „Die Nichten der Frau Oberst“(1968)), sein aktualisiertes Drehbuch basierte dagegen nur noch auf den damals schon gegenüber dem Roman vorgenommenen Änderungen. Sowohl die verjüngte, sexuell aktive Frau Oberst als auch deren promiskuitive Nichten kommen in Maupassants Roman nicht vor. Der französische Autor beschrieb sensibel die ersten erotischen Erfahrungen der beiden Schwestern innerhalb einer stark von Etiketten geprägten Gesellschaft. Ihre homoerotische Sexualität, die für Dietrich jeweils zum Auslöser seiner Filmhandlung wurde, findet erst zu Beginn des zweiten Teils statt, nachdem ihre Beziehungen zu ihren jeweils ersten Männern aus unterschiedlichen Gründen endeten. Maupassant begegnete ihrer lesbischen Liebe mit Sympathie, während Dietrich – ganz der Moral von 1968 verpflichtet – ihre empört reagierende Tante dazwischen gehen ließ.

...die auch gerne mit der Marquise (France Lomay) anbändelt
Wer nun glaubt, 1980 hätte sich dieses Ansinnen angesichts der inzwischen eingetretenen sexuellen Freizügigkeit geändert, irrt. Sex zwischen Frauen ist in „Die Nichten der Frau Oberst“ zwar an der Tagesordnung, aber nur zum voyeuristischen Vergnügen männlicher Zuschauer. Deren Selbstverständnis wird gar nicht erst in Frage gestellt, denn auch die bisher ausschließlich weiblichen Sinnenfreuden zugetane Marquise (France Lomay) wird am Ende von einem Mann „bekehrt“ – in dieser Hinsicht hatte sich bis 1980 nichts bewegt, blieb auch die zweite Nichten-Verfilmung im Vergleich zu Guy de Maupassants aus dem 19.Jahrhundert stammenden Roman rückständig.

"Die Nichten der Frau Oberst" Schweiz 1980, Regie: Erwin C.Dietrich, Drehbuch: Erwin C.Dietrich, Christine Lembach, Guy de Maupassant (Roman), Darsteller : Karine Gambier, Brigitte Lahaie, Pascale Vital, Eric Falk, Will Stoer, Mike Montana, France Lomay, Laufzeit : 90 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Erwin C.Dietrich:

Zarte Haut in schwarzer Seide (1961) Max Pécas

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Inhalt: Daniela (Elke Sommer) wird von ihrer Mutter (Käthe Haack) zum Münchner Hauptbahnhof begleitet, von wo sie nach Rom fährt, um einen Job als Mannequin anzutreten. Aus einer Zeitschrift, die sie sich am Bahnhof kauft, erfährt sie den Grund für diese Chance – eine Kollegin war tot aufgefunden worden, weshalb die Stelle frei wurde. Für Daniela, die die Welt kennenlernen will, ist das egal, aber ihre Mutter macht sich große Sorgen. In Rom angekommen, scheinen diese Befürchtungen unberechtigt, denn Graf Castellani (Ivan Desny) erweist sich als so charmanter wie großzügiger Chef und empfängt Daniela sehr herzlich.

Ganz anders als Karl Bauer (Helmut Schmid), der im benachbarten Hotelzimmer mitten in der Nacht bei lauter Musik in seine Schreibmaschine tippt und Daniela weckt. Zudem dringt er noch in ihr Zimmer ein, um den Kerl kennenzulernen, der sich dort verbirgt. Ein Betrunkener hatte die Herrenschuhe versehentlich vor Danielas Zimmer geschoben. Nach dieser eher unerfreulichen ersten Begegnung fasst Daniela nur schwer Vertrauen zu dem Journalisten, der sich ständig in der Nähe Castellanis herumtreibt und ihn als Verbrecher bezeichnet…


Die 2004 herausgekommene DVD "Zarte Haut in schwarzer Seide" des nicht mehr existenten Labels "Starmedia" war ein typischer Schnellschuss der frühen DVD-Phase - körniges Bild, falsches Format, ein Screenshot als Cover und ein Begleittext, der keine Ahnung hatte. Bei dem "französischen Model Daniella" handelt es sich um die junge Deutsche Daniela, gespielt von Elke Sommer, die danach noch viele Filme in Europa drehte, nicht zuletzt mit Regisseur Max Pécas im folgenden Jahr. Für den Autoren des Covertextes ist "Zarte Haut in schwarzer Seide" dagegen ihr letzter europäischer Film bevor sie nach Hollywood ging.

Kurz, die DVD ist mies, aber trotzdem empfehlenswert, denn Max Pécas' zweiter Film, zudem seine einzige deutsche Produktion, ist als früher Erotikfilm ein rares Vergnügen. Und es ist kaum zu erwarten, dass es ihn einmal in adäquater Qualität geben wird.








Sorgenvoll verabschiedet die Mutter (Käthe Haack) ihre Tochter Daniela (Elke Sommer) am Münchner Hauptbahnhof. Die blonde junge Frau tritt in Rom eine Stelle als Mannequin an, die frei wurde, nachdem ihre Vorgängerin tot aufgefunden wurde - kein gutes Omen für einen Job in der Fremde. Noch während der Zug den Bahnhof verlässt, sind die kommenden Gefahren schon mit Händen zu greifen: Vergewaltigung, Prostitution, Mord. Was läge näher, als die Warnung vor dem moralischen Verfall in eine aufwühlende Sex-and-Crime-Story zu packen? - Elke Sommer hatte erst kurz zuvor in "...und sowas nennt sich Leben" (1961) ein Mannequin gespielt, dass sich unlauteren Annäherungen erwehren musste, Ivan Desny wurde als Playboy in "Geständnisse einer Sechzehnjährigen" (1961) zum Mordopfer und Helmut Schmid gab wenig später in "...denn das Weib ist schwach" (1961) einen in kriminelle Machenschaften verwickelten Anwalt zwischen zwei Frauen - erneut nach einem Drehbuch von Wolfgang Steinhardt, der auch die Story zu "Zarte Haut in schwarzer Seide" verantwortete.

Und das Erwartete geschieht. Der Leiter des Modestudios Graf Castellani (Ivan Desny) erweist sich als sinistre Persönlichkeit, die offensichtlich über Leichen geht, es aber glänzend versteht, junge Frauen mit seinem Charme zu überzeugen. Auch Daniela ist schnell von dem eleganten Lebemann begeistert und bereit, seinen Ausführungen Glauben zu schenken. Dagegen weckt Karl Bauer (Helmut Schmid), angeblicher Journalist, ihr Misstrauen. Erst stört er als Nachbar im angrenzenden Hotelzimmer ihre Nachtruhe, dann poltert er brachial in ihr Leben. Obwohl er sich für sie einsetzt, als wieder eine Frauenleiche gefunden wird, schenkt sie seinen Worten, Castellani wäre ein Verbrecher, keinen Glauben. Der Beginn eines verwirrenden Spionage- und Erpresserplots, der bis nach Paris führt und mit immer neuen Wendungen aufwarten kann, weshalb der Film auch in Richtung der damals populären „Edgar Wallace“-Reihe vermarktet wurde. Zur Enttäuschung falsch geschürter Erwartungen, denn „Zarte Haut in schwarzer Seide“ ist weder Moralkeule noch Gruselkrimi, sondern ein Max Pécas-Film.

Der Blick auf Pécas‘ folgenden ebenfalls mit Elke Sommer in der Hauptrolle entstandenen Film hilft, sich der ungewöhnlichen Kombination aus deutschem Drehbuch, deutschsprachigen Hauptdarstellern und französischer Regie anzunähern. Das Drama „Douce violence“ (Sie nennen es Liebe, 1962) entwickelt seine Story um eine Gruppe junger Menschen vor dem sonnigen Hintergrund der Mittelmeerküste. Ein Abbild der sich rasant verändernden Sozialisation der Nachkriegsgesellschaft – sexy und cool, eingeleitet von einem Johnny Halliday-Song und begleitet von der Musik Charles Aznavours. Dieser gab schon in Pécas‘ erstem Film "Le cercle vicieux" (Die Begierde treibt den Mann, 1960) den Takt vor und sorgte auch in „Zarte Haut in schwarzer Seide“ für eine Atmosphäre der Moderne, in der die Story nur den Hintergrund abgab für das eigentliche Thema – Sex. Noch vor seinem bekannteren Landsmann José Bénazéraf  („Seine frühen Erotikfilme 1963 – 1974“) ging Max Pécas konsequent den Weg in Richtung Sexfilm, der ihn Mitte der 70er Jahre auch zur Pornografie führte.

Seine Zusammenarbeit mit Wolfgang Steinhardt war in dieser Hinsicht kein Zufall, denn trotz dessen nur wenige Filme umfassenden Oevres zählt der Autor zu den prägenden Figuren der Früh-Phase des deutschen Erotik-Genres. Neben „...denn das Weib ist schwach“ schuf er im selben Jahr noch die Basis zu „Riviera-Story“ mit Ulla Jacobsson unter der Regie von Wolfgang Becker („Liebe wie die Frau sie wünscht“, 1957), um mit seinen Drehbüchern Mitte der 60er Jahre die Linie in Richtung Bénazéraf („St.Pauli zwischen Nacht und Morgen“, 1967) und „Unruhige Töchter“ (1967) zu schlagen - jeweils Produktionen von Erwin C. Dietrich. Zwar stellte Steinhardt seine Figuren gerne in ein kriminelles Umfeld, aber anders als in den Edgar-Wallace-Filmen, in denen nur die Side-Kicks für frivole Anklänge zuständig waren, während die weiblichen Hauptdarstellerinnen ein Vorbild an Tugendhaftigkeit abgaben, waren seine Protagonistinnen zentraler Teil des sexuell konnotierten Geschehens.

Zudem trieb die Kombination mit Max Pécas dem Drehbuch die letzten Avancen in Richtung Moralkeule aus. Das führte zu so seltsamen Blüten, dass Danielas Mutter ihre Tochter zweimal am Münchner Hauptbahnhof mit wedelndem Taschentuch verabschiedet. Pécas wiederholte die Szene mitten im Film noch einmal, nachdem Daniela aus Rom zurückgekehrt war, um gleich nach Paris weiter zu reisen – diesmal ohne offensichtliches Job-Angebot. In beiden Abschiedsszenen steht dieselbe Statistin als Mitreisende im Zug am Fenster, aber das spielte keine Rolle, denn der französische Regisseur war sowieso an keiner emotionalen Zuspitzung interessiert. Dass inzwischen ein weiterer Mord geschehen war und Graf Castellani die junge Frau für seine Zwecke eingespannt hatte – geschenkt, Muttern hat noch denselben sorgenvollen Blick im Gesicht wie zu Beginn.

Schöner ließ sich diese klassische Betroffenheitssequenz kaum aushebeln, die beispielhaft ist für einen Film, der sein turbulentes Geschehen ohne authentische Gefühlsregungen ausbreitete, sondern nur Klischeetypen aufeinandertreffen ließ – den egoistischen Verführer, die eifersüchtige Geliebte (Claire Maurier), den hemdsärmeligen Ermittler, den geheimnisvollen Vamp (Danik Patisson) und mittendrin die naiv wirkende Blondine. Deren optische Inszenierung lag Pécas besonders am Herzen, weshalb Elke Sommer in vielfältiger Form zu sehen ist - darunter als Fotomodell vor großstädtischer Kulisse, Hotelgast im Negligé, als unfreiwillige Stripperin, die sich von einer Gruppe Matrosen retten lässt, oder mit schwarzer Perücke in einem Nachtclub. So lange die Kamera ihre hübschen Beine einfangen konnte, spielten die Umstände für ihre Abenteuer nur eine untergeordnete Rolle.

„Zarte Haut in schwarzer Seide“ steht beispielhaft für den Typus des frühen deutschen Erotik-Films, dessen Unterwelt-Milieu dafür herhalten musste, um dezente Nacktaufnahmen auf die Leinwand bringen zu können. Regisseur Pécas ließ zwar keinen Zweifel an seinen tatsächlichen Intentionen aufkommen, konnte der Co-Produktion aber den deutschen Gestus nicht ganz austreiben – trotz ihrer sexy Auftritte blieb Elke Sommer immer auch ein braves Mädel.






"Zarte Haut in schwarzer Seide"Deutschland, Frankreich 1961Regie: Max Pécas, Drehbuch: Walter Ebert, Wolfgang Steinhardt, Darsteller : Elke Sommer, Helmut Schmid, Ivan Desny, Claire Maurier, Danik Patisson, Käthe Haack, Laufzeit : 85 Minuten

Immer wenn der Tag beginnt (1957) Wolfgang Liebeneiner

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Inhalt: Nachdem der Stadtschulrat sie kaum zu Wort kommen ließ, sondern ihr vermittelt hatte, dass er ihr nach zweimaligem Verstoß gegen die Vorschriften nur auf Grund des Lehrermangels eine weitere Chance gibt, führt Frau Dr. Burkhardts (Ruth Leuwerik) Weg direkt zum Schiller-Gymnasium, wo Direktor Cornelius (Hans Söhnker) über sie befinden soll. Dieser erweist sich als so autoritär, wie humorvoll, und nimmt sie gerne als einzige Frau ins Kollegium auf. Einzig hat er Bedenken, die Mathematik- und Physik-Lehrerin ausgerechnet bei der Oberprima einsetzen zu müssen.

Eine unbegründete Sorge, denn die junge Frau weiß sich durchzusetzen, stellt aber im Gegenteil schnell fest, dass die Klasse in Richtung Abitur-Prüfung hinter dem Lehrplan liegt. Zudem trifft sie in der nahe gelegenen Pension von Frl. Richter (Agnes Windeck) zu ihrer Überraschung auf einen der Schüler - Martin Wieland (Christian Wolff), dessen getrennt lebende Eltern sich nur finanziell um ihren Sohn kümmern. Aus Frau Dr. Burghardts Sicht ein unhaltbarer Zustand, der ihre Aufgabe zusätzlich erschwert.


Ruth Leuwerik 1924 - 2016
In Erinnerung an Ruth Leuwerik, mit 91 Jahren gestorben am 12.01.2016

Schon in den 70er Jahren, als meine Kino-Sozialisation begann, gehörte Ruth Leuwerik zu den vergangenen Stars. Seit 1963 war sie kaum noch im Kino zu sehen, auch ihre TV-Präsenz blieb auf wenige Rollen beschränkt. Wiederholt wurden vor allem ihre Adels-Rollen in "Königliche Hoheit" (1953) und "Königin Louise" (1957), jeweils an der Seite von Dieter Borsche, mit dem sie damals ein "Traumpaar " bildete. Dass zwischen beiden Filmen vier Jahre lagen - im damaligen Filmgewerbe eine Ewigkeit - und diese Rollen eher untypisch für beide Darsteller waren, wurde ignoriert. Dieser Eindruck blieb auch an mir haften und den jetzigen Nachrufen zu ihrem Tod ist dieser Einfluss noch immer anzumerken.

Inzwischen wird die Modernität ihrer Frauenrollen und ihr selbstbestimmtes Auftreten zwar wieder betont, aber die dazu gehörigen Filme sind größtenteils in Vergessenheit geraten - auch weil sich die damalige Tragweite nicht mehr ermessen lässt. Themen, wie die Pädagogik-Diskussion in "Immer wenn der Tag beginnt" wirken inzwischen veraltet, auch lassen sich manche Konzessionen ans Publikum hinsichtlich der emanzipatorischen Ausrichtung nicht übersehen. Filme wie Käutners "Die Rote" (1962), die darauf verzichteten, sind bis heute aus der Öffentlichkeit verschwunden. Tatsächlich ist Ruth Leuweriks Schönheit und ihr Spiel auch gemessen an heutigen Klischees von Unabhängigkeit und Eigenständigkeit geprägt. Es gilt mehr denn je, sie wieder zu entdecken.


Die knapp 30 Filme, die Ruth Leuwerik während ihrer Kino-Karriere zwischen 1952 und 1963 drehte, besitzen eine bemerkenswerte Signifikanz - ihre Beschränkung auf eine überschaubare Anzahl an Regisseuren, mit denen sie wiederholt zusammenarbeitete,  nahm einen fast symmetrischen Verlauf. Ihr Karrierebeginn stand unter dem Einfluss von Helmut Käutner und dessen künstlerischem Umfeld. Nach Harald Braun ("Vater braucht eine Frau" (1952) und "Königliche Hoheit" (1953)), häufiger Produzent von Käutners Filmen, und dessen früheren Regie-Assistenten Rudolf Jugert („Ein Herz spielt falsch“, 1953), besetzte Käutner selbst Ruth Leuwerik in der Hauptrolle zwei seiner Filme („Bildnis einer Unbekannten“ (1954) und "Ludwig II: Glanz und Elend eines Königs" (1955)). Auch gemeinsam mit Rolf Thiele entstand ein früher Film ("Geliebtes Leben" (1952)).

Sieht man von dem früh verstorbenen Harald Braun ab, ließ sie ihre Filmkarriere mit denselben Regisseuren Anfang der 60er Jahre wieder ausklingen. Thiele drehte mit ihr "Auf Engel schießt man nicht" (1960), Jugert "Die Stunde, in der du glücklich bist" (1961) und unter Käutner spielte sie noch dreimal, darunter in „Die Rote“ (1962) und "Das Haus in Montevideo" (1963). Einzig Alfred Vohrer konnte sie noch für zwei spätere Kinofilme gewinnen („Und Jimmy ging zum Regenbogen“ (1971)). In den fünf Jahren zwischen diesen beiden Phasen - im Zenit ihrer Popularität - arbeitete sie fast ausschließlich an der Seite von Wolfgang Liebeneiner. Nach dem großen Erfolg von "Die Trapp-Familie" (1956) und "Königin Louise" (1957) entstanden bis 1960 ("Eine Frau fürs ganze Leben") sieben gemeinsame Filme.

"Immer wenn der Tag beginnt" markiert als vierter Film dieser Reihe zwar die Mitte ihres Schaffens, blieb aber im Schatten ihrer großen Filmerfolge, obwohl George Hurdalek erneut das Drehbuch verfasste. Diesmal orientierte er sich weder an einer Biografie ("Die Trapp-Familie"), noch wählte er einen historischen Stoff wie in "Königin Louise", sondern entwarf ein Gegenwarts-Szenario. Hurdalek - 1942 am Propaganda-Film "Fronttheater" beteiligt - , der als Co-Autor vieler Käutner- und Jugert-Filme zum Bindeglied zwischen Früh- und Hochphase in Ruth Leuweriks Karriere wurde, betrat damit keineswegs Neuland. Im Jahr zuvor hatte er für das Drogen-Drama "Ohne dich wird es Nacht" (1956) das Drehbuch geschrieben, wenige Jahre später folgte die gesellschaftskritische Satire „Rosen für den Staatsanwalt“ (1959).

„Immer wenn der Tag beginnt“ nahm sich scheinbar die seit 1956 populären „Halbstarken“-Filme zum Vorbild, die mit ihrem moralischen Gestus auf die sich verändernden soziokulturellen Veränderungen in der Bundesrepublik reagierten. Der damals 19jährige Christian Wolff spielte 1957 nach „Anders als du und ich“ und „Die Frühreifen“ schon seine dritte Rolle als schwer erziehbarer Jugendlicher, dessen Zukunft wegen des behaupteten moralischen Niedergangs gefährdet ist. Diesmal gab er den Oberprimaner Martin Wieland, ein verwöhntes Scheidungskind, das alleine in einer nahegelegenen Pension wohnt und seine um die Welt jettenden Eltern nur selten zu sehen bekommt. Die „Schule am Harthof“ in München, deren moderne, transparente Architektur von der jungen Demokratie, wie vom allgemeinen Unternehmergeist zeugte, bildete den stimmigen Hintergrund für das mit souveräner Autorität von Oberstudiendirektor Wolfgang Cornelius (Hans Söhnker) geleitete Jungen-Gymnasium.

„Wir haben die jungen Menschen geistig fit zu machen – für die Wissenschaft, für ihren Beruf“

lautet sein Credo gegenüber der neuen Lehrerin Frau Dr.Burkhardt (Ruth Leuwerik), die schon zweimal versetzt werden musste, weil sie gegen Auflagen verstoßen hatte. Im Gegensatz zu ihren Vorgesetzten ist sie der Meinung, dass der familiäre Hintergrund und damit die psychische Situation eines Schülers bei der Beurteilung eines Vergehens mit berücksichtigt werden sollte. Sie hatte einem Mädchen, das gestohlen hatte, nicht nur Geld geliehen, sondern sie auch vor der Polizei geschützt, weil sie von ihren berufstätigen Eltern vernachlässigt wurde. Cornelius argumentiert gegen diese Sichtweise mit der schieren Anzahl an Schülern – bei 1600 Gymnasiasten sei es unmöglich, die individuelle Situation des Einzelnen zu berücksichtigen. Einzig Disziplin sei gefragt.

Schon die Eingangssequenz, in der die Konfliktlinie zwischen der damaligen Auffassung von konservativer und moderner Lehrmethodik gezogen wurde, lässt deutlich werden, dass Hurdalek und Liebeneiner die Thematik nur sanft ausloteten. Der Direktor wirkt trotz seiner autoritären Haltung diskussionsbereit und die Mathematik- und Physik-Lehrerin legt höchsten Wert auf gutes Benehmen. Einzig das Fehlverhalten von Eltern wird von ihr als Ursache für die Probleme einzelner Schüler betrachtet – eine Mitte der 50er Jahre aufkommende Meinung, als erste Tendenzen sich verändernder Familienstrukturen, besonders hinsichtlich der Mutter-Rolle, spürbar wurden. Für die peinlichste Situation des Films sorgt entsprechend Martin Wielands Mutter (Christl Mardayn), die bei einem überraschenden Besuch ohne jegliches Feingefühl in eine Jugend-Party platzt und ihren Sohn blamiert. Kein Wunder, dass er sich in seine Lehrerin verliebt.

Abgesehen von dieser Szene, bleibt das auffälligste Merkmal des Films seine Unauffälligkeit. Weder die Unterrichtsstunden mit der Oberprima – seit der „Feuerzangenbowle“ (1944) klassischer Komödien-Stoff – noch deren Jazz-Begeisterung wurden für zugespitzte Situationen genutzt. Konflikte zwischen den Schülern gibt es nicht. Auf Sex oder Kriminalität, wie in den „Halbstarken-Filmen“ üblich, wurde gänzlich verzichtet. Selbst der Tod eines Schülers und das vom Hausmeister (Joseph Offenbach) entdeckte Tagebuch, in dem Martin über seine Liebe zu seiner Lehrerin fantasiert, können kaum Dramatik erzeugen. Innerhalb dieses unaufgeregten Szenarios wird schon die Entscheidung, bei einer Beerdigung Jazz zu spielen, zum Wagnis. Dass ganz am Ende noch Cornelius seine Studienrätin heiratet, kann nur als Konzession ans Publikum verstanden werden. Angeblich hatten sie sich gleich zu Beginn ineinander verliebt – zu spüren war es nicht.

Es ist diese untertemperierte Emotionalität, mit der „Immer wenn der Tag beginnt“ besticht, der keinen Moment die im Zentrum stehende souveräne Frauenrolle durch Gefühlswallungen diskreditierte. Sicherlich war das meist respektvolle Auftreten sowohl des Lehrer-Kollegiums, als auch der Primaner geschönt, so wie eine Frau innerhalb des männlich geprägten Umfelds im Film als Ausnahme verstanden werden wollte, aber das lässt nicht übersehen, wie sehr Ruth Leuwerik gegen damalige Klischees anspielte. Sie verband Schönheit, Intelligenz, Humor und Selbstbewusstsein zu einer starken Persönlichkeit, hinter der der sonstige Film nur eine Nebenrolle einnahm.

"Immer wenn der Tag beginnt" Deutschland 1957, Regie: Wolfgang Liebeneiner, Drehbuch: George Hurdalek, Wolfgang Liebeneiner, Utz Utermann, Darsteller : Ruth Leuwerik, Hans Söhnker, Christian Wolff, Agnes Windeck, Friedrich Domin, Joseph Offenbach, Rex Gildo, Laufzeit : 96 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Wolfgang Liebeneiner:

Geheimaktion Schwarze Kapelle (1959) Ralph Habib

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Inhalt: Auf Grund einer Warnung des Kellners in seinem Lieblings-Lokal kann der regime-kritische Journalist Robert Golder (Peter van Eyck) knapp seiner Verhaftung durch die Gestapo entkommen, um kurz darauf trotzdem überwältigt und entführt zu werden. Verantwortlich dafür ist eine Widerstandsgruppe aus der Führungsebene der Wehrmacht, die ihn als Boten benötigt. Er soll einer Vertrauensperson im Vatikan die Pläne Hitlers für den Westfeldzug übermitteln, damit in den betroffenen Ländern Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. So soll eine weitere Eskalation des Krieges nach der Besetzung Polens verhindert werden und nach einer Absetzung Hitlers Friedensgespräche stattfinden.

Reichsführer SS Heinrich Himmler (Werner Peters) will das verhindern, kann aber den mit einem gefälschten Pass reisenden Golder nicht aufhalten, der unbeschadet nach Rom gelangt. Dort befindet sich eine Einsatztruppe der SS unter der Leitung von Hoffmann (Ernst Schröder), deren mörderisches Vorgehen aber argwöhnisch vom römischen Polizei-Präfekten (Gino Cervi) betrachtet wird. Deshalb sind sie gezwungen geschickt vorzugehen und setzen ihre beste Agentin (Dawn Addams) auf den Journalisten an…


"Geheimaktion schwarze Kapelle" erschien Ende der 50er Jahre in einer Phase, in der die Akzeptanz gegenüber Filmen, die sich mit der jüngeren Geschichte auseinandersetzten, stieg. Für Produzent Arthur Brauner bekanntes Terrain, aber der deutsch-italienisch-französischen Co-Produktion, die die PIDAX erstmals a23.12.2014 auf DVD herausbrachte, sind die Konzessionen deutlich anzumerken, die die Aufarbeitung des Nationalsozialismus damals noch erforderten.

Der erwähnte "Tatsachenbericht"über den Widerstand gegen Adolf Hitlers Kriegspläne verband unterschiedliche Aktionen zu einem Agenten-Stück mit Liebesaffäre, in dem keine reale Person außer dem Reichsführer SS Heinrich Himmler vorkam. Trotzdem hätte "Geheimaktion schwarze Kapelle" Anerkennung verdient gehabt, da sich der Film mit einem bis heute wenig bekannten Kapitel des Widerstands auseinandersetzte und gleichzeitig die veränderte Sozialisation Ende der 50er Jahre abbildete. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite). 



Schon Mitte der 50er Jahre waren Filme über den 1945 im KZ hingerichteten langjährigen Chef der deutschen "Abwehr" Wilhelm Canaris ("Canaris" (1954)) und das Stauffenberg-Attentat auf Adolf Hitler in die Kinos gekommen - darunter der von Arthur Brauners CCC produzierte, mehrfach ausgezeichnete "Der 20.Juli" (1955) unter der Regie von Falk Harnack. "Geheimaktion schwarze Kapelle" berief sich auf ein weiteres Kapitel des Widerstands aus höchsten Kreisen der Wehrmacht. Der damalige Oberst und spätere Generalmajor Hans Oster hielt Kontakt zur obersten Heeresleitung und verriet Hitlers Pläne für den Westfeldzug an den niederländischen Militär-Attaché Bert Sas, um eine weitere Eskalation des Krieges nach der Besetzung Polens zu verhindern. Im Auftrag Osters und unter dem Schutz der „Abwehr“ versuchte parallel der Rechtsanwalt und Offizier der Wehrmacht Josef Müller - nach dem Krieg erster Vorsitzender der bayrischen CSU - über den Vatikan in Rom Kontakt zum britischen Botschafter aufzunehmen. Für den Fall, dass Hitler stürzt, sollte ein Friedensabkommen mit England vorbereitet werden.

Oster und viele seiner Mitstreiter wurden später von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt, aber ihr vergeblicher Versuch, die Nationalsozialisten aufzuhalten ist heute weit weniger bekannt als das Stauffenberg-Attentat. Noch unbekannter ist die deutsch-italienisch-französische Co-Produktion „Geheimaktion schwarze Kapelle“, obwohl Ende der 50er Jahre die Akzeptanz für eine kritische Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit stieg – Filme wie „Kriegsgericht“ (1959) mit Karlheinz Böhm oder Bernhard Wickis „Die Brücke“ (1959) erhielten hohe Anerkennung. Trotzdem galt die Thematik nach wie vor als heikel. Gut zu erkennen am Verhalten des Journalisten Robert Golder (Peter van Eyck), der die Geheim-Pläne für den Westfeldzug nur einem angesehenen Mitglied der Kirche überlassen will. Gebetsmühlenartig wiederholt er, kein Verräter am eigenen Volk sein zu wollen – ein Vorwurf, dem sich die Widerstandskämpfer noch in den 50er Jahren ausgesetzt sahen. Von Hans Oster sind die Worte überliefert:

„Man könnte nun sagen, dass ich ein Landesverräter sei, aber das bin ich in Wahrheit nicht. Ich halte mich für einen besseren Deutschen als all die anderen, die Hitler nachlaufen. Mein Plan ist und meine Pflicht sehe ich darin, Deutschland und damit die Welt von dieser Pest zu befreien.“(Quelle: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Wikipedia)

Sieht man von dem geplanten Westfeldzug ab, unter dessen wiederholtem Aufschub durch Adolf Hitler die Glaubwürdigkeit des Widerstands litt, blieb im Film fast nichts von dieser realen Situation übrig. Autor Olaf Herfeldt hatte in seinem Roman die Übergabe der Angriffs-Pläne und den geheimen Treffpunkt in Rom zu einem Agenten-Thriller mit Liebesgeschichte vor pittoresker Kulisse kombiniert. Einzig der Reichsführer SS Heinrich Himmler (Werner Peters) als finsterer Strippenzieher im Hintergrund stand für die NS-Diktatur, seine Männer in Rom unter der Leitung von Hoffmann (Ernst Schröder) blieben dagegen austauschbare gedungene Mörder. Dieser weitgehende Verzicht auf ideologischen Ballast zeigte sich besonders bei den italienischen Protagonisten. Franco Fabrizi als aristokratischer Kontaktmann der Widerstandsgruppe mit schickem Cabriolet und Gino Cervi als römischer Polizeipräfekt walteten im Stil von Lebemännern. Zwar hing Benito Mussolinis Porträt im Polizei-Präsidium an der Wand, aber Erwähnung findet der „Duce“ im Film nicht. Im Gegenteil schien selbst der nach Gutdünken handelnde Präfekt schon im Widerstand gegen Nazi-Deutschland zu stehen.

Diese Konzession an die italienischen Co-Produzenten war möglicherweise ein Grund dafür, warum der Film in Deutschland wenig Reputation erfuhr, denn trotz der Freisprechung der obersten Heeresleitung von Schuld am kommenden Angriffs-Krieg – der Generaloberst (Werner Hinz) bleibt nach Beginn der West-Offensive gegen seine innere Überzeugung im Amt, um keinem Hitler-Gefolgsmann Platz zu machen – kamen die Bösewichte allein aus dem deutschen Lager. Dass die Hauptfigur souverän von Peter van Eyck verkörpert wurde, half nur bedingt, denn er legte seine Rolle gewohnt zwiespältig an: ein von den Ereignissen gebrochener, pessimistischer Charakter, der sich bedingungslos in die sexuell offensiv auftretende Tilla (Dawn Addams) verliebt, die als Agentin der SS auf ihn angesetzt wurde.

Zugunsten dieser Liebesgeschichte trat die ursprüngliche, mit dokumentarischen Aufnahmen über den Aufstieg Hitlers beginnende, politische Dimension des Films in den Hintergrund, auch weil der französische Regisseur Ralph Habib die Ereignisse in Rom im Stil der damaligen Gegenwart inszenierte. Nächtliche Partys, Strandleben in Ostia, die Nacktszene in der Umkleidekabine oder die gemeinsame Nacht in seinem Hotelzimmer – mit den späten 30er Jahren hatte das nur wenig zu tun. Betont wurde dieser Eindruck noch durch die Besetzung der weiblichen Hauptrolle mit der us-amerikanischen Schauspielerin Dawn Addams, deren Optik und ihr selbstbewusst, pragmatisches Auftreten einem modernen Frauenbild entsprachen. Addams, die als „Femme fatale“ kurz zuvor in „Die feuerrote Baronesse“ (1959) schon wenig aufregte, war mit ihrer reduzierten Erotik ideal besetzt, da sie trotz ihrer Rolle als Verführerin den moralisch geforderten Anstand wahrte – die notwendige Voraussetzung für die Akzeptanz des Liebespaars Golder/Tilla.

Trotzdem war diese Konstellation dem damaligen Publikum schwer zu vermitteln, wie am letzten Satz der Inhaltsangabe der „Filmbühne“ deutlich wird:

„Für Golder und Tilla bleibt nur noch die Hoffnung, das Glück ihrer Liebe in der Flucht nach Südamerika zu retten“ (Filmbühne Nr.5002, Beilage der Pidax-DVD)


Vielleicht wollte der Autor des Textes damit ein mögliches Happy-End konkretisieren, das die sonstigen historischen Umstände nicht hergaben, aber diesen Gefallen tat ihm der am Ende offen bleibende Film nicht. Für eine Aufarbeitung der realen Hintergründe des Widerstands gegen die Nationalsozialisten ist „Geheimaktion schwarze Kapelle“ historisch zu ungenau und zu unentschieden zwischen Polit-Thriller und Liebesgeschichte, aber als düsteres Zeitbild funktionierte er. Die desillusionierten Lebensentwürfe der beiden Protagonisten wiesen in ihrem Pessimismus schon in Richtung „Denn das Weib ist schwach…“ (1961), der ebenfalls auf Basis eines Drehbuchs von Hans Nicklisch entstand. Darin beschrieb er die Ernüchterung nach einem "Wirtschaftswunder"-Jahrzehnt mit großen sozialen Veränderungen – ein Einfluss der Gegenwart, Ende der 50er Jahre, der auch „Geheimaktion schwarze Kapelle“ anzumerken ist.

"Geheimaktion schwarze Kapelle" Deutschland, Italien, Frankreich 1959, Regie: Ralph Habib, Drehbuch: Hans Nicklisch, Olaf Herfeldt (Roman), Darsteller : Peter van Eyck, Dawn Addams, Werner Peters, Franco Fabrizi, Gino Cervi, Ernst Schröder, Werner Hinz, Laufzeit : 98 Minuten 

Die spanische Fliege (1955) Carl Boese

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Sommer (Rudolf Platte) und Klinke (Joe Stöckel) vor der "spanischen Fliege"
Inhalt: Daxburg soll ein eigenes Amtsgericht bekommen. Für den Stadtrat und Unternehmer Heinrich Klinke (Joe Stöckel) prinzipiell eine gute Nachricht, wäre da nicht die alte Geschichte, die irgendwo in den Gerichtsakten vergraben ist. Zwar wurde die „Spanische Fliege“, wie die verführerische Varieté-Sängerin von ihm und seinen Freunden genannt wurde, vor 18 Jahren von den Moralwächtern des Staates ausgewiesen, aber Klinke sah sich wenige Monate später mit den Folgen seines Techtelmechtels konfrontiert. Und zahlte seitdem brav Alimente für seinen unehelichen Sohn. Sollte das Amtsgericht nach Daxburg kommen, könnte dieser Vorgang bekannt werden.

Dr. Gerlach (Hans Richter) erfährt Interessantes von Ambrosius (Paul Henckels)
Als er diese Sorge seinem Freund Hugo Sommer (Rudolf Platte) anvertraut, reagiert dieser überraschend. Den Sohn beansprucht der Vater dreier Töchter für sich selbst, schließlich zahle auch er seit 18 Jahren Alimente. Bald stellt sich heraus, dass die beiden Stadträte Hartmann (Kurt Großkurth) und Breilmann (Hans Leibelt) ebenfalls für den damaligen Fehltritt zahlen, aber damit erschöpft sich das Thema noch nicht. Der junge Anwalt Dr. Gerlach (Hans Richter) tritt die Nachfolge des alten Dr. Ambrosius (Paul Henckels) an, der damals die Alimente-Zahlungen mit den vier Männern aushandelte, und gerät dadurch in den Besitz der Akten…


Rückblick auf den 15.Hofbauer Kongress vom 07.01. bis 11.01.2016

Schön war's. Aber es hat gedauert. Nachrufe auf Ruth Leuwerik und Ettore Scola, zwei sehr von mir geschätzte Filmkünstler, kamen mir im Januar dazwischen, der Alltag sowieso. Aber der Beginn des Jahres ist nicht vergessen, der wie bisher bei jedem Hofbauer-Kongress für mich von bewusstseinserweiternder Qualität war, womit ich schon bei der "spanischen Fliege" bin, der den zweiten Kongresstag in Nürnberg am 08.01. einleitete. 

Fast könnten Erinnerungen an sonntägliche Nachmittage in den 70er Jahren aufkommen, an denen sich die Familie vor dem Bildschirm versammelte, um eine "alte Schwarz-Weiß"-Komödie zu sehen - Joe Stöckel, Rudolf Platte und Hans Richter erwiesen sich in solchen Situation als Garanten für beste Unterhaltung. So auch hier, nur dass "Die spanische Fliege" kein familientauglicher Dauergast im TV wurde und es auch auf kein anderes Medium schaffte. Ein Fall für das Hofbauer-Kommando, dass hier eine niederländische Version in 35mm zeigte. Dank deren Abneigung gegenüber Synchronisationen in OV mit holländischen Untertiteln.


Was führt der Bildhauer (Stanislav Ledinek) im Schilde? 
Dass es sich bei der "spanischen Fliege" um ein Potenzmittel handelt, gehörte Mitte der 50er Jahre noch zum Allgemeinwissen. Obwohl es in der Story nicht vorkommt – „die spanische Fliege“ ist der Kosename für eine verführerische Varieté-Tänzerin -  hatte Franz Arnold seinen 1913 herausgebrachten Bühnenschwank danach benannt, damit gezielt die Assoziationen eines Publikums anregend, dass von Sex nur hinter vorgehaltener Hand sprach. Der Erfolg seines ersten Theaterstücks gab ihm Recht, das eine Vielzahl weiterer Lustspiele aus Arnolds und Ernst Bachs Feder, seinem Compagnon, nach sich zog, in denen sie die bürgerliche Doppelmoral humorvoll sezierten. Komödien-Spezialist und Vielfilmer Carl Boese hatte schon 1931 mit „Die schwebende Jungfrau“ erstmals einen ihrer Texte verfilmt. Im selben Jahr folgten noch „Die spanische Fliege“ unter der Regie von Ernst Jacoby und drei weitere Kino-Adaptionen ihrer populären Bühnenwerke. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war der Boom schlagartig vorbei und Arnold musste aus Deutschland emigrieren. Erst Anfang der 50er Jahre erlebten ihre Werke eine erneute Konjunktur im Kino.

Joe Stöckel - drei Jahrzehnte Dauergast auf der Komödien-Leinwand
Angesichts der Prüderie, die in den 50er Jahre in Deutschland vorherrschte, überrascht die Wiederentdeckung der in den moralischen Niederungen spielenden Stücke. Zumal sich ausgesprochene Prominenz darum kümmerte. Parallel zu seinen Heimatfilm-Erfolgen „Schwarzwaldmädel“ (1950) und „Grün ist die Heide“ (1951) drehte Hans Deppe „Die Nacht im Separee“ (1950) und „Der Fürst von Pappenheim“ (1952), unter Mitwirkung von Sonja Ziemann, Olga Tschechowa, Paul Hörbiger, Grethe Weiser, Viktor De Kowa und zweimal Georg Thomalla, nur um die Bekanntesten zu nennen. Auch Carl Boese griff 1952 wieder auf eine Vorlage des Duos Arnold/Bach zurück und verfilmte „Der keusche Lebemann“ wieder mit Georg Thomalla und Grethe Weiser in tragenden Rollen. Dazu gesellten sich der aufgehende Stern am Heimatfilm-Himmel Marianne Koch und das Komödien-Urgestein Joe Stöckel. Umso bemerkenswerter ist es, dass diese Filme anders als viele Heimatfilme und Liebeskomödien dieser Zeit inzwischen in Vergessenheit geraten sind. Auch im Fernsehen gehörten sie nicht zum Standard-Repertoire.

Hans Richter einmal als Schwerenöter (mit Jester Naefe)...
Das gilt auch für „Die spanische Fliege“, Boeses Remake der 31er Verfilmung, der neben Joe Stöckel noch mit Rudolf Platte, Paul Henckels, Hubert von Meyerinck, Ruth Stephan und Hans Richter aufwarten konnte. Letzterer in einer für ihn ungewohnten Rolle als trickreicher Rechtsanwalt, denn seit „Die Feuerzangenbowle“(1944) war Richter auf das „Enfant terrible“ festgelegt, gab in „Grün ist die Heide“ den Lautsprecher eines Landstreicher-Trios oder spielte in den „Knall und Fall“ – Filmen den Knall, ein wörtlich zu nehmender Name. Doch trotz seines seriösen Auftretens und seiner ernsten Absichten bei Hannelore Klinke (Jester Naefe), der Tochter des im Örtchen Daxburg einflussreichen Stadtrats und Unternehmers Heinrich Klinke (Joe Stöckel), spielte Richter auch hier den Störenfried, der ein seit 18 Jahren gehütetes Geheimnis aufzudecken droht.

...und als Anwalt der Damen vom Wohltätigkeitsverein
Damals hatten vier honorige Herren – neben Klinke, noch Hugo Sommer (Rudolf Platte) und die ebenfalls im Stadtrat sitzenden Hartmann (Kurt Großkurth) und Breilmann (Hans Leibelt) – eine Affäre mit einer schönen Tänzerin, bis diese von der Sittenpolizei des Landes verwiesen wurde. Eine wenig verklausulierte Anspielung auf die Nationalsozialisten, die über den moralischen Anstand der Bürger wachten, selbst aber gerne hinsahen. Bei den vier verheirateten Männern kam ihr Einsatz offensichtlich zu spät, denn ihnen wird von dem Rechtsanwalt Dr. Ambrosius (Paul Henckels) die Rechnung in Form von Alimentezahlungen aufgemacht – für den Sohn der „spanischen Fliege“, den sie ein paar Monate später im Ausland gebar. Vier Männer zahlen für einen Sohn. Das an dieser Konstellation etwas nicht stimmen konnte, ist von Beginn an klar, aber weitere Ungereimtheiten kommen hinzu bis es in Daxburg kaum noch Jemanden gibt, der Interesse an der Aufdeckung der vollständigen Wahrheit hat, die alle zu überrollen scheint.

"Es ist mein Sohn" beharrt Hugo Sommer
Oberflächlich betrachtet gehört „Die spanische Fliege“ zum Typus der Moral-Komödien, in der ein einmaliger, zeitlich weit zurückliegender Fehltritt zur Lawine wird, weil sich der „Sünder“ beim Versuch, das Geheimnis zu wahren, immer tiefer in sein Lügengebäude verstrickt.  In der Regel enden diese Stücke mit einem geläuterten Protagonisten, dessen Ehre nach kurzer Abbitte wieder hergestellt ist – Happy-End und Wiederherstellung der Moral  inbegriffen. Das „Stillhalteabkommen“, mit dem Arnolds Bühnenstück endet, hat mit dieser Art „Happy End“ nichts gemein. Geläutert ist hier Niemand. Im Gegenteil schlägt die Angst vor der Aufdeckung des Seitensprungs regelmäßig um in den Stolz über den gezeugten „Sohn“ bis zur Anbetung der damaligen Geliebten in Form eines Fetischs. Obwohl es nicht auszuschließen ist, dass der körperliche Kontakt mit der Tänzerin bei einem Teil der Männer eher der Fantasie als der Realität entsprungen sein könnte, leugnet Niemand den lang zurückliegenden Fehltritt – besonders Platte und Stöckel gefallen sich gut im Selbstbild des feurigen Liebhabers.

Heiles Familienleben (Stöckel mit Erika von Thellmann)
Mit hohem Tempo und subversivem Witz entfaltete „Die spanische Fliege“ eine Situation, die sich nicht mehr in Wohlgefallen auflösen konnte. Wer deshalb hofft, die Beteiligten werden mit der Härte der Konsequenzen konfrontiert, wird enttäuscht werden. Daran ist nicht einmal den Ehefrauen gelegen. Selbst die gewohnt autoritär auftretende Elisabeth Flickenschildt als Frau Sommer, deren Ehemann Hugo vor ihr zittert, macht sich keine Illusionen hinsichtlich der Qualität ihrer Beziehung. Wichtig ist ihr nur, dass er weiterhin kuscht. Die bürgerliche Oberfläche blieb zwar gewahrt, überdeckte hier aber nur schwach die Bedürfnisse des Einzelnen und ließ die moralischen Anstandsregeln zur Makulatur werden.

"Die spanische Fliege" Deutschland 1955Regie: Carl Boese, Drehbuch: Edgar Kahn, Franz Arnold (Theaterstück), Darsteller : Joe Stöckel, Rudolf Platte, Hans Richter, Paul Henckels, Elisabeth Flickenschildt, Hubert von Meyerinck, Erika von Thellmann, Jester Naefe, Ruth Stephan, Albert FlorathLaufzeit : 94 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Carl Boese:

"Fünf Millionen suchen einen Erben" (1938)

Perle der Karibik (1981) Manfred Stelzer

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Inhalt: Diethard (Diethard Wendtland) arbeitet als Vertreter für Lexika und lebt allein in einer neu bezogenen Sozialbauwohnung in einem noch im Bau befindlichen Block. Sein Tagesablauf ist gut organisiert und er hat ein paar Ersparnisse zur Seite gelegt, aber zu seinem Glück fehlt ihm noch eine Ehefrau. Auch Kontaktanzeigen brachten bisher keinen Erfolg – trotz des Stichworts „Idealer Partner". Entsprechend aufmerksam reagiert er, als er die asiatische Ehefrau eines Kunden (Horst Pinnow) kennenlernt. Sie wurde dem Mittvierziger von einem auf ausländische Frauen spezialisierten Institut vermittelt.

Diethard hebt sein Geld ab und investiert es nicht nur in eine Ehefrau, sondern auch in die Einrichtung seiner Wohnung. Der erste Weg, nachdem er die junge Frau aus der Karibik (Alisa Saltzmann) am Flughafen abholte, führt sie zum Standesamt, wo die Ehe sogleich geschlossen wird. Auch das weitere Zusammenleben als Mann und Frau wurde von Diethard schon exakt vorausgeplant…






Rückblick auf den 15.Hofbauer Kongress vom 07.01. bis 11.01.2016

"Perle der Karibik" (wie der Film ohne Artikel korrekt heißt) lief am letzten Tag des 15. Hofbauer-Kongresses und konfrontierte mich mit meiner Vergangenheit. Der über einen Abzweig des Stadtrings gebaute terrassierte Wohnblock, der in Stelzers Film eine wichtige atmosphärische Rolle einnahm, ließ mich sofort erschaudern, als ich ihn 1982 das erste Mal sah. Und übte gleichzeitig eine große Faszination auf mich aus. Bis heute gehört er für mich zu den prägnantesten Gebäuden der westberliner Phase bis zum Mauerfall.

Dank Stelzer, der ein Jahr zuvor noch auf der Baustelle drehte, erhielt ich einen Einblick in den Komplex, der mir bisher verwehrt blieb. Ganz abgesehen davon, dass mir 1982 nicht bewusst war, wie neu der Wohnblock war, der ähnlich wie das nicht weit entfernt liegende raumschiffartige Kongresszentrum in einer Zeit - Mitte der 70er Jahre - konzipiert wurde, die noch vom unbedingten Fortschrittglauben geprägt war. Anfang der 80er Jahre zeigten sich erste Risse - eine Entwicklung, die in Stelzers Film gegenwärtig ist.


Die Geschichte vom deutschen Mann, der sich eine Ehefrau aus dem Ausland besorgt, war 1981 nicht mehr neu. Das Institut, an das sich Diethard (Diethard Wendtland) wendet, um per Katalog eine Bestellung aufzugeben, hatte sich auf die Vermittlung solcher Ehen spezialisiert. Ein nicht ganz billiger Service, der aber professionell abgewickelt wird: pünktlich erreicht die gewünschte junge Frau (Alisa Saltzman) den Flughafen in Berlin-Tegel, ausgestattet mit den geeigneten Papieren, um sofort am Standesamt geheiratet werden zu können. Diethard hatte alle Vorbereitungen abgeschlossen, war zuvor schon in eine neue Wohnung in einem noch im Bau befindlichen Block eingezogen und hatte sie ehegerecht mit Doppelbett und Einbauküche eingerichtet. Exakter lässt sich ein solches Arrangement auch in heutigen Internet-Zeiten kaum planen.

Ebenso wenig hat sich die landläufige Meinung über diese Art der Beziehungsanbahnung in den letzten Jahrzehnten geändert und Regisseur Manfred Stelzer bemühte sich auch nicht, gängige Klischees außer Kraft zu setzen. Herr Diethard ist ein besonders steifes Exemplar Mann, dessen geringe Fähigkeit zur Empathie offensichtlich beim Verkauf von Lexika aufgebraucht wird. Bei einem Termin hatte der Vertreter die asiatische Ehefrau eines Kunden kennengelernt, der sich sehr zufrieden über diese Verbindung äußerte. Einzig das undurchdringliche ständige Lächeln seiner Frau irritiere ihn, gab dieser zu bedenken, weshalb Diethard sich für eine andere Variante entschied - eine „Perle der Karibik“. Mit der vorhersehbaren Konsequenz. Zwischen den Beiden entsteht keine Nähe und das Arrangement scheitert.

Gerade auf Grund der klaren Voraussetzungen – sie sucht wirtschaftliche Sicherheit, er eine Sexualpartnerin und Hausfrau – besitzen diese nach jahrtausendealten Regeln geschlossenen Verbindungen nicht selten gute Chancen. Hätte der Regisseur einen umgänglichen Typ Mann in den Mittelpunkt gestellt, hätte ihre Beziehung vielleicht halten können. Doch darum ging es Manfred Stelzer nicht. Die organisierte Eheschließung zweier Menschen unmittelbar nach ihrer ersten Begegnung geschieht hier im Stil einer Versuchsanordnung. Über ihre genaue Herkunft und die näheren Beweggründe der jungen Frau erfährt der Zuschauer ebenso wenig, wie über die Vergangenheit und sozialen Umstände des 41jährigen Diethard. Im Stil seiner vorherigen Dokumentarfilme („Monarch“ (1980)) nutzte Stelzer die Thematik der Partnervermittlung für den Blick auf sein eigentliches Interesse – auf Deutschland.

Im Hintergrund das Bauschild mit der innenliegenden Autobahn...
Berlin-West Anfang der 80er Jahre ist ein Ort der Kälte. Der noch im Bau befindliche Neubaublock, den Stelzer als Hintergrund wählte, ist bis heute eines der markantesten Beispiele für die Schaffung neuen Wohnraums bei größtmöglicher Verkehrs-Mobilität. Turmartig erhebt sich der Wohn-Koloss über die Stadtautobahn. Detailliert ist das im Film nicht zu sehen, aber wiederholt fängt die Kamera das Bauschild ein und konfrontiert die junge Frau aus der Karibik mit den noch aktiven Bautätigkeiten, sobald sie die vier Wände der Sozialbauwohnung verlässt. Ihr Versuch, diese in einen aus ihrer Sicht lebenswerten Raum zu verwandeln, scheitert sowohl an den baulichen Voraussetzungen, als auch an ihrem Ehemann, der die aus seiner Sicht artfremde Nutzung mit Pflanzen und Früchten ablehnt.

...und Beanboats (Alisa Saltzman) Blick hoch zu den Terrassen.
Erneut ließe sich die mangelnde Toleranz und Flexibilität des Ehemanns als Ursache anführen, aber Diethard ist weder frustriert, noch besonders autoritär. Und er bemüht sich, seiner neuen Frau die Eingewöhnung zu erleichtern. Er besorgt vermeintlich vertraute Utensilien aus ihrer Heimat und ist auch beim Haushaltsgeld nicht knausrig. Seine Unzufriedenheit und aufkommende Strenge entstehen aus seiner Fassungslosigkeit gegenüber dem Verhalten der jungen Frau, die aus seiner Sicht das Geld für unnütze Dinge ausgibt, die Wohnung verschandelt und die Aufgaben einer Hausfrau nicht erfüllt. Diethard steht bei Stelzer für den Geist eines gut organisierten, allein rationale Beweggründe gelten lassenden Deutschlands, kombiniert mit einer männlichen Haltung, die durch ein Jahrzehnt Emanzipation verunsichert ist. Diethards Ehe mit einer Frau aus dem Ausland entsprang nicht zuletzt auch dem Wunsch nach der Aufrechterhaltung der gewohnten Geschlechterrollen.

In Stelzers Film werden Form und Inhalt zu einer Einheit. „Die Perle der Karibik“ ist klar strukturiert und linear erzählt. Der Film interessiert sich weder für Vergangenheit, noch Zukunft, sondern beschreibt eine Gegenwart, in der für das Irrationale und Spontane kein Platz vorhanden ist. Es wird nicht als Chance, sondern als Bedrohung empfunden. Stelzer stilisierte Deutschland auf diese Weise zu einem Ort, an dem selbst Lebensfreude bis in die privatesten Nischen organisiert wird. Dank seines dokumentarischen Stils und des Verzichts auf emotionale Zuspitzungen bewahrte Stelzer die notwendige Distanz zu seinen Protagonisten und urteilte nicht. Seine generelle Sicht spiegelt die zwangsläufige Konsequenz wider. Die junge Frau aus der Karibik verschwindet und Diethard setzt sein normiertes Leben allein fort - verloren sind sie Beide.

"Perle der Karibik" Deutschland 1981, Regie: Manfred Stelzer, Drehbuch: Manfred Stelzer, Wolfgang Quest, Axel Voigt, Darsteller : Diethard Wendtland, Alisa Saltzman, Alfred Edel, Horst Pinnow, Gertrud HoffmannLaufzeit : 81 Minuten

Das Spukschloss im Salzkammergut (1966) Rolf Olsen, Hans Billian

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Udo (Jürgens) und seine Eva (Gertraud Jesserer) im Beziehungs-Clinch
Inhalt: Nachdem Manfred (Schnelldorfer) Hannelore (Auer) nach drei Jahren in den USA und Zwischenstopp auf Mallorca mit seinem Alfa Spider am Flughafen abgeholt hatte, umkurven sie entspannt den Wolfgangsee und kommen auf alte Zeiten zu sprechen – genauer auf Udo (Jürgens) und dessen amouröses Abenteuer, das im Ehehafen endete.

Der Beginn klingt allerdings wenig vielversprechend, denn anstatt ihn auf seiner Tournee zu begleiten, wollte seine Freundin (Gertraud Jesserer) eine eigene Karriere als Schauspielerin starten. Ob so viel weiblichen Widerspruchsgeists, blieb Udo nur der Bruch und er gesellte sich allein zu seiner international besetzten Show-Truppe, die im selben alten Schloss am Neusiedler See landete wie die notorisch klamme Theatergruppe, der sich seine Freundin angeschlossen hatte. Klar, dass das nicht lange gut gehen konnte… 

Rückblick auf den 15.Hofbauer Kongress vom 07.01. bis 11.01.2016

"Das Spukschloss im Salzkammergut" erfreute am dritten Tag des 15. Hofbauer-Kongresses die Herzen mit seinem Mix aus Musik- und Heimatfilm sowie platter Komödie - ganz den populären Vorbildern "Das Spukschloss im Spessart" (1960) und Billians erster Regie-Arbeit "Übermut im Salzkammergut" (1963) verpflichtet, aus deren Titeln die Produktionsgesellschaft raffiniert einen "neuen" Titel zusammensetzte. Es wurde ihr letzter Akt, war aber insofern konsequent, weil auch der Film nichts Neues bot.

Das Filmplakat verweist auf ihre Absichten. Udo Jürgens sieht darauf deutlich "flotter" aus als in den Filmaufnahmen, die mehr als drei Jahre zuvor entstanden waren. Und als Stars wurden neben ihm Hannelore Auer und Manfred Schnelldorfer groß aufgeführt, die mit der eigentlichen Filmhandlung genauso wenig zu tun hatten, wie das "Spukschloss" im Salzkammergut steht. Sie sollten der Resteverwertung nur einen modernen Anstrich geben.






"Mercie, chérie" sang Udo Jürgens am 5. März 1966 in Luxemburg und gewann den 11. Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne für Österreich - vielleicht der entscheidende Grund, warum "Das Spukschloss im Salzkammergut" am 23. November 1966 noch das Licht der Kinoleinwand erblickte.

"Da steht Udo ganz groß drauf" meint Eva - wohl eine optische Täuschung...
Heimatfilm und Schlagerfilm waren in den frühen 60er Jahren eine Allianz eingegangen, um der darbenden Branche auf die Beine zu helfen, aber inzwischen war nur noch ein leises Röcheln zu vernehmen (siehe den Essay "Der Weg in die Moderne - der Heimatfilm der Jahre 1958 bis 1969 "). Udo Jürgens, dessen Karrierebeginn eng mit dem Schlagerfilm verbunden war ("Die Beine von Dolores" (1957)), hatte Anfang 1964 in "Unsere tollen Tanten in der Südsee" seinen letzten Filmauftritt, bevor er sich ausschließlich auf den Gesang konzentrierte. Der deutsche Verleihtitel "Siebzehn Jahr, blondes Haar" für die italienisch-deutsche Co-Produktion "La battaglia dei mods", September 1966 herausgekommen, war reiner Etikettenschwindel, erst in "Das Spukschloss im Salzkammergut" tauchte Udo Jürgens tatsächlich noch ein letztes Mal als Schauspieler aus der Versenkung auf.

...denn seine "Internationale Show-Gruppe" reist per Bus durch die Provinz
Es bedarf nicht allzu viel Fantasie, um die Entstehung des Films als Resteverwertung der "Music House" - Production Company am Ende ihrer kurzen Existenz zu erkennen. Udo Jürgens‘ einziger Song im Film "Das kann auch dir gescheh'n" stammte aus dem Jahr 1962, weshalb viel dafür spricht, dass Regisseur Rolf Olsen die von ihm erdachte Story um den Streit einer Schauspieltruppe und einer tingelnden Music-Show direkt nach "Hochzeit am Neusiedler See" abdrehte, der Ende 1963 in die Kinos kam. Die Besetzung um das Protagonisten-Paar Getraud Jesserer und Udo Jürgens sowie bekannte Darsteller wie Ruth Stephan, Mady Rahl, Oskar Sima oder Rudolf Schündler war bis in kleine Nebenrollen identisch, gedreht wurde jeweils vor dem Hintergrund des Neusiedler Sees im Burgenland und Rocco Granata  trat in beiden Filmen auf – auch sein 1966 gesungener „Tango d’amore“ stammte aus dem Jahr 1962. 


Von 1963 bis 1966 – ein Quantensprung

Hannelore Auer ganz 1966
Verräterisch sind auch die Angaben zum Drehbuch in den Credits. Idee und Ausführung stammten von Rolf Olsen, Hans Billian hatte es nur bearbeitet. Dass Olsen an der letztlichen Kino-Fassung von „Das Spukschloss im Salzkammergut“ aktiv beteiligt war, ist unwahrscheinlich. Obwohl fast gleichaltrig gibt es keinen weiteren Berührungspunkt in ihren umfangreichen Oevres. Dem erfahrenen Schlagerfilm-Spezialisten Billian blieb es allein überlassen, eine Modernisierung einzuleiten. Er montierte neben die handlungsintegrierten Musiknummern einige ortsfremde, aber aktuelle Schlager, darunter zwei von Peggy March. Sein größter Regie-Eingriff galt einer zusätzlichen Rahmenhandlung, mit der er den Film im Salzkammergut verortete und in die Gegenwart von 1966 versetzte. Zuerst sollten die Bilder eines Düsen-Jets internationales Flair vermitteln, bevor der Olympionike und Teilzeit-Sänger Manfred Schnelldorfer Hannelore Auer im Alfa-Spider um den Wolfgangsee kutschierte. Deren Lied „Nur mein Herz bleibt in Mallorca“ spielte nicht nur auf die zunehmende Reisefreude der Deutschen an, die frivol und selbstbewusst agierende Auer ließ auch die Protagonisten der Haupthandlung alt aussehen.

Udo und Gertraud ganz 1963
Gegen sie wirkte Udo Jürgens im Anzug mit akkuratem Haarschnitt entsprechend der altbackenen Story wie ein Musterschüler. Da kann Hannelore Auer in der Rahmenhandlung noch so oft „den Udo“ erwähnen, im Film hebt er sich nur durch seinen wenig sympathischen Umgang mit seiner Freundin Eva (Gertraud Jesserer) ab, deren Wunsch, als Schauspielerin berufstätig sein zu wollen, er lächerlich findet – der daraus entstehende Streit zu Beginn der Handlung war noch ganz dem traditionellen Geschlechter-Rollenbild zu verdanken. Dass Udo sich darüber hinaus nicht zu schade war, die geringen Erfolgsaussichten der kräftig dilettierenden Darsteller-Riege um seine Freundin am „Spukschloss“ zu torpedieren, war eine unnötige Dramatisierung dieser Thematik. Den Produzenten muss die dünne Story bewusst gewesen sein, weshalb sie den einzigen Höhepunkt des Films gleich zu Beginn schon vorwegnahmen – die zentral gelegene 2minütige Spukszene im Schloss, in der die Schauspieler die arroganten Musiker aus dem Schlaf schrecken. Vermutlich der einzige Grund neben Udo Jürgens‘ gewachsener Popularität, Olsens unveröffentlichte Filmrolle aus der Mottenkiste zu holen.

Die schauspielernde Konkurrenz
Bleibt nur noch die Frage, warum die so schmählich behandelte Verlobte am Ende ihren Udo doch heiratet? – Die Antwort findet sich im Jahr 1963, als der weibliche Wunsch nach einem eigenen Einkommen noch wenig populär war und Udos Verhalten als legitim galt. Nun ist 1966 nicht als Jahr des emanzipatorischen Durchbruchs in die Geschichte eingegangen, aber die Gesellschaft veränderte sich Mitte der 60er Jahre rasant und Hannelore Auers abschließende Verteidigung der Haltung Udos klang nur noch halbherzig – die Erwartung des Publikums an Typen, die cool und modern wirken wollten, hatte sich verändert. Es kann entsprechend ausgeschlossen werden, dass Udo Jürgens seine einmalige Wiederauferstehung auf der Leinwand begrüßte – auch für Manfred Schnelldorfer blieb es der letzte Auftritt in einem Kinofilm.

Das Händchen macht Schluss
Parallel feierte Rolf Olsen „heiße Nächte“ in Frankfurt, („In Frankfurt sind die Nächte heiß“ (1966)) und Billian beteiligte sich wenig später an der spanisch-deutschen Co-Produktion „Das Haus der tausend Freuden“ (1967), bevor er es „Pudelnackt in Oberbayern“ (1969) trieb. Hannerlore Auer ließ es derweil bei der „Frau Wirtin von der Lahn“ (1967) krachen. Auf die „Sex-Karte“ hatte Billian bei seiner Frischzellenkur noch verzichtet, zu brav kam Olsens 63er Vorlage daher. Irgendwie aus der Zeit gefallen, aber in der von Billian zusammengeschusterten Vielfalt ein wunderschöner Abgesang auf Heimat- und Musikfilm.

"Das Spukschloss im Salzkammergut" Deutschland 1966Regie: Rolf Olsen, Hans Billian, Drehbuch: Rolf Olsen, Hans Billian, Darsteller :Udo Jürgens, Gertraud Jesserer, Hannelore Auer, Manfred Schnelldorfer, Rúth Stephan, Oskar Sima, Mady Rahl, Ilse Peternell, Laufzeit : 82Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Rolf Olsen

"Der letzte Ritt nach Santa Cruz" (1964)

Die Spalte 1971 Gustav Ehmck

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Inhalt: Ein Teenager legt ein kleines Bündel auf die Gleise, doch bevor der herankommende Zug es überfahren kann, rettet eine ältere Frau das Baby vor dem sicheren Tod. Sie behält die kleine Sophie bei sich und zieht sie auf, doch nachdem sie gestorben ist, kommt ihre Enkeltochter in ein katholisches Erziehungsheim. Ihre Mutter, die sie damals töten wollte, schreibt ihr einmal aus dem Gefängnis, aber darüber hinaus gibt es keine familiäre Bindung für die Heranwachsende.

Für die Erzieher ist Sophie (Gerhild Berktold) ein hoffnungsloser Fall, dem sie nur mit absoluter Strenge zu begegnen wissen. Wenig überraschend bricht die inzwischen 15jährige mit Unterstützung ihrer Kameradinnen aus dem Heim aus und landet mittellos auf den Münchner Straßen. Ein junger Mann (Axel Schiessler) wird auf das ziellos umherstreifende hübsche Mädchen aufmerksam, spricht sie an und bietet ihr seine Hilfe an. Dankbar nimmt sie an und die Beiden kommen sich schnell näher…

Rückblick auf den 15.Hofbauer Kongress vom 07.01. bis 11.01.2016

"Die Spalte" war ein Schock. Traf schon "Perle der Karibik"(1971) ins Mark, hallte die Wirkung meines persönlichen Abschluss-Films noch lange auf der Heimfahrt nach, während parallel "Mädchen beim Frauenarzt" (1971) das offizielle Programm beendete. Nicht nur der Schrecken saß tief, auch die Überraschung war groß. Die mir aus dieser Zeit bekannten Sex-Filme bedienten sich gerne den zahlreichen Gefahren der neuen Freiheit, nutzten diese aber vor allem als Anlass für ausschweifende Nacktdarstellungen. Für den meist männlichen Voyeur blieb alles ein großer Spaß. 

Den trieb Regisseur Ehmck dem Betrachter hier gründlich aus. Ursache dafür, warum "Die Spalte" danach schnell wieder in der Versenkung verschwand. Einzig auf einem italienischsprachigen Video wurde der Film Anfang der 90er Jahre noch einmal veröffentlicht. Die Screenshots stammen sowohl von dem Video (Beispiel oben links), wie der Aufführung im Nürnberger Comm-Kino (Beispiel oben rechts). 





"Die Spalte" kam im April 1971 in die deutschen Kinos, exakt zwischen dem Start von "Schulmädchen-Report - Was Eltern nicht für möglich halten" (1970) und dessen Nachfolger "Schulmädchen Report 2 - Was Eltern den Schlaf raubt" (1971). Die Reihe an Filmen, die das Erotik-Bedürfnis eines ausgehungerten deutschen Publikums Anfang der 70er Jahre befriedigen sollten, ließe sich beliebig verlängern. Die meisten von ihnen schafften es später auf diverse Videoträger und prägen bis heute das Bild einer harmlos-verruchten Sexwelle in Folge der 68er Generation. Dabei durfte der pädagogische Zeigefinger nicht fehlen, der den Nacktdarstellungen das nötige moralische Gegengewicht verlieh, um ein Abrutschen ins Schmuddel-Image zu vermeiden. Nur so ließen sich die hohen, weit in bürgerliche Schichten vordringenden Besucherzahlen erreichen. Der Widerspruch, voyeuristische Bedürfnisse zu befriedigen, gleichzeitig aber vor den Gefahren von Promiskuität und optischer Zurschaustellung für junge Frauen zu warnen, wurde zum Abbild einer sich nach außen hin modern und aufgeklärt gebenden Gesellschaft.

Übertreibung gehörte im jungen Sexfilm zum Geschäft. Einerseits durfte die weibliche Jugend hemmungslos ihren Trieb ausleben, andererseits wimmelte es nur so von Profiteuren ihrer frisch entdeckten sexuellen Freiheit. Vergewaltiger, Zuhälter und Spanner lauerten an jeder Ecke. Ingrid Steeger stirbt am Ende in „Ich, ein Groupie“ (1970) nackt und drogenabhängig auf Berlins Straßen, in Alois Brummers „Gefährlicher Sex frühreifer Mädchen“ (1971) steht gleich zu Beginn ein Hausmeister wegen angeblicher „Unzucht mit Minderjährigen“ vor Gericht, und in den „Schulmädchen-Report“-Filmen fand sich immer ein Busfahrer, Lehrer oder Familienvater, der die Unschuld jungfräulicher Mädchen bedrohte. Ernst nahm das Niemand. Im Gegenteil tanzten die Darstellerinnen so freizügig auf der Leinwand herum, dass die Schuldfrage schon geklärt war. Die Männer reagierten quasi nur und bestätigten damit das bis heute tief verwurzelte Vorurteil, die Frauen hätten sie durch ihr Verhalten und ihre Optik erst motiviert.

Auch in „Die Spalte“ fällt am Ende ein solcher Satz. „Keine Frau kann gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen werden“, sagt ein Polizist. Die vorherige Handlung belehrte den Betrachter eines Besseren. Es ist die Geschichte eines ungewollten Mädchens. Als Säugling rettet ihre Großmutter sie vor dem Tod. Sie wächst bei ihr auf, kommt aber nach deren Ableben in ein katholisches Erziehungsheim. Ihre Mutter, die sie damals auf die Zuggleise legte, schreibt ihr einmal aus dem Gefängnis - für ihre Betreuerin nur der Anlass, die Rechtschreibfehler korrigieren zu lassen. Sophie (Gerhild Berktold) befindet sich auf der untersten Sprosse der gesellschaftlichen Leiter – ein Dasein, dass Anfang der 70er Jahre über keinerlei Reputation verfügte. Im Heim gilt ausschließlich das Prinzip der Strenge und Sophie bestätigt mit ihrem Verhalten diese Vorgehensweise – renitent, unbelehrbar und offensichtlich frühreif gilt sie als hoffnungsloser Fall.

Ohne zu moralisieren oder emotional zu schüren, entfaltete Regisseur Gustav Ehmck die Geschichte eines unaufhaltsamen Niedergangs. Die damals 17jährige Gerhild Berktold, die nur ein weiteres Mal ebenfalls unter Ehmcks Regie in einem Kinofilm auftrat ("Heiß und kalt", 1972), darüber hinaus aber unbekannt blieb, spielte die Sophie mit größter Natürlichkeit und vollem Körpereinsatz. Sie ist sehr hübsch, aber ihre Nacktheit bediente keinen Voyeurismus. Im Gegenteil betonte Ehmck damit ihre totale Abhängigkeit – Sex dient in „Die Spalte“ fast ausschließlich der Erniedrigung und zur Machtausübung.

Trotzdem verfiel der Film nicht in Einseitigkeit. Der Regisseur und sein Autor Christian Rolf zeigten keine Berührungsängste bei der Widergabe der Realität vor dem Münchner Hintergrund: kleine deutsche Zuhälter, ein türkischer Platzhirsch (Dursun Firat), bürgerliche Freier und sexuelle Dienstleistungen für griechische Gastarbeiter im Keller eines Restaurants. Auch Sophie eignet sich nicht zur Identifikation - zu sperrig, naiv und ungebildet ist ihr Charakter. Aber ihr Verhalten ist immer nur Reaktion auf ihre Armut und soziale Abhängigkeit. Dank seines dokumentarischen Stils bewahrte der Film den notwendigen Abstand, um das Geschehen erträglich zu gestalten, mehr noch aber um dessen generellen Charakter zu betonen. Sophia ist kein Einzelschicksal. Eine linke Aktionsgruppe versucht die Mädchen von der Straße zu holen. Für die Polizei kein Grund zur Freude, denn die Zuhälter machen ihnen deutlich weniger Ärger, als die aufmüpfigen Studenten – Ruhe ist bekanntlich die erste Bürgerpflicht.

Gewalt, Ausbeutung und Prostitution sind in „Die Spalte“ kein Spiel zwischen Männer-Fantasie und moralischer Entrüstung, sondern erbarmungslose Realität. Auch als Warnung vor freizügiger Sexualität eignete sich die Figur der Sophie nicht, deren Schicksal mit den kecken Gymnasiastinnen aus dem „Schulmädchen-Report“ nichts gemein hat. In den Augen der Allgemeinheit galt sie von Beginn an als Verlorene. Eine Haltung, die auch „Die Spalte“ zu spüren bekam. Sex, nackte Tatsachen und ein bisschen Gefahr durften sein, aber ohne den Betrachter mit echten Problemen und seinen eigenen Vorurteilen zu konfrontieren. Der Geist, der hinter der im Sexfilm gepflegten Ambivalenz von Voyeurismus und moralischem Zeigefinger stand, sorgte auch dafür, dass „Die Spalte“ schnell in Vergessenheit geriet.

"Die Spalte"Deutschland 1971, Regie: Gustav Ehmck, Drehbuch: Christian Rolf, Darsteller : Gerhild Berktold, Dursun Firat, Axel Schiessler, Werner Umberg, Silvia Lasch, Maxi Maxi, Armin RichterLaufzeit : 85 Minuten

Banditen der Autobahn (1955) Géza von Cziffra

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In der Nachtbar: Wolfgang Wahl, Hans Christian Blech, Charles Regnier
Inhalt: Einer gerissenen Diebesbande unter der Leitung von Paul Barra (Charles Regnier) gelingt es immer wieder der Polizei zu entkommen. Erst suchen sie sich ein potentes Opfer, dann stoppen sie dessen Fahrzeug nachts auf der Autobahn, berauben ihn und schlagen ihn nieder. Die Polizei weiß nicht, dass der Opel danach im Laderaum eines Getränkelasters verschwindet, den Franz Möller (Wolfgang Wahl) entspannt an den Kontrollen vorbei lenkt. Um sich nicht weiter an der Nase herumführen zu lassen, beschließt die Polizeiführung Straßensperren aufzustellen - mit der klaren Anweisung nach dem zweiten Durchbruch von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.

Kurt Heinze (Erich Scholz), dem sein Chef zu seiner Freude seinen Porsche für eine Dienstfahrt überlassen hatte, ahnt davon nichts. Seine Freundin Eva Berger (Eva Ingeborg Scholz), die ihn auf der Fahrt begleitet, hatte das Radio ausgestellt, als die Warnung durchgesagt wurde. Im Anblick der nächtlichen Straßensperren und ohne die vergessenen Papiere unterwegs, gerät der junge Mann in Panik, hält nicht an und wird nach der zweiten Straßensperre tödlich von Maschinengewehr-Kugeln getroffen. Geschossen hatte Willi Kolanski (Hans Christian Blech). Die Polizei spricht ihn von jeder Schuld frei, aber die Öffentlichkeit hat dazu eine andere Meinung. Außerdem erfährt Kolanski, dass der Witwer Heinze (Paul Hörbiger) auf diese Weise auch seinen dritten und jüngsten Sohn verloren hat, nachdem die beiden Älteren im Krieg gefallen waren. Er beschließt, sich um ihn zu kümmern…


"Banditen der Autobahn" gehört in die Reihe der Nachkriegs-Filme, die trotz ihrer attraktiven Thematik und prominenten Besetzung vor und hinter der Kamera schnell in Vergessenheit gerieten und auch nicht im TV-Zeitalter der 60er und 70er Jahre ankamen. Die Frage nach dem Grund, macht diese Filme so interessant, denn meist entziehen sie sich einer eindeutigen Genre-Zuordnung, liefern überraschende Einsichten und vermitteln einen Eindruck ihrer Entstehungszeit.

Das gilt auch für "Banditen der Autobahn", den die PIDAX erstmals a08.04.2016 auf DVD herausbrachte. Nicht nur, dass der Film vom Krimi bis zur Satire eine Vielzahl an Stilen vereinte, er wagte unter dem Deckmantel des Unterhaltungsfilms einen Blick in die damalige Realität - eher wenig förderlich für den Publikumserfolg(Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite). 







Vorfreude auf die Porsche-Fahrt: Kurt, Freundin Eva und Chef
Maschinengewehrsalven hallen durch die Nacht. Ein Porsche hatte zwei Straßensperren der Polizei durchbrochen und damit den Schießbefehl ausgelöst. Der Fahrer stirbt, erweist sich aber als unschuldig. Er bekam den Wagen von seinem Chef für einen Geld-Transport überlassen, hatte aber die Papiere vergessen und war beim Anblick der Sperren auf der Autobahn in Panik geraten. Anlass für die polizeiliche Maßnahme waren die unaufgeklärten nächtlichen Überfälle auf der Autobahn, bei denen wiederholt Fahrer ausgeraubt und niedergeschlagen wurden. Der schwarze Opel Kapitän, mit dem die Räuber ihre Opfer zum Halten zwangen und danach entkamen, blieb spurlos verschwunden, egal wie schnell die Polizei vor Ort war und an den Ausfahrten kontrollierte. Angesichts des markigen Filmtitels "Banditen auf der Autobahn“ ein zu erwartendes Szenario, das sich aber schon nach wenigen Minuten erschöpft. Vielleicht der Grund dafür, warum der Film trotz der Mitwirkung der Kölner Polizei, die hier mehrfach beim Martinshorn gesättigten Großeinsatz auf der nachts nur spärlich befahrenen Autobahn gezeigt wurde, weder zur gängigen Krimi-TV-Ware gehören sollte, noch darüber hinaus Erwähnung fand.

Wolfgang Neuss singt über die Autofahrer und die Polizei...
Offensichtlich plante Regisseur Géza von Cziffra, Mitte der 50er Jahre im Komödien- und Musikfilm-Fach erfolgreich zu Hause („Musikparade“, 1956), etwas Besonderes, denn er hatte sich Robert Thoeren und Wolfgang Neuss an seine Seite geholt. Für den gebürtigen Österreicher Thoeren, der 1933 nach Frankreich emigriert war und später US-amerikanischer Staatsbürger wurde, war es die zweite Mitwirkung an einem Drehbuch in deutscher Sprache - nach "Abenteuer in Wien" (1952), einer österreichisch-US-amerikanischen Co-Produktion. Auf seiner Idee zu „Fanfare d’amour“ (Frankreich 1935) basierte Billy Wilders „Some like it hot“ (Manche mögen’s heiß, USA 1959), die zuvor schon von Kurt Hoffmann in „Fanfaren der Liebe“ (1951) neu verfilmt wurde. Zuletzt hatte er am Drehbuch zu „La minute de vérité“ (Geständnis einer Nacht, Frankreich 1952) mitgewirkt, später folgte der Entwurf zum Drama „Zwischen Zeit und Ewigkeit“ (1956) und die Thomas Mann Adaption „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (1957). Auch für Wolfgang Neuss, der Von Cziffra schon seine erste Kinorolle in „Der Mann der sich selber suchte“ (1950) verdankte, war die Beteiligung an einem Film-Drehbuch Neuland. Sein Beitrag blieb aber streng kabarettistisch, denn er trat im Film als Chansonnier auf einer Kleinkunst-Bühne auf.

...Kolanskis Begleitung (Ingrid van Bergen) gefällt`s
Mit an Bord waren zudem sein Dauer-Partner Wolfgang Müller als Friseurgehilfe mit frecher Schnauze, Paul Hörbiger als demütiger Witwer, der zwei seiner Söhne im Krieg verloren hatte, bevor sein Jüngster Opfer der Polizeikugeln auf der Autobahn wurde, sowie Hans-Christian Blech als Polizist und unfreiwilliger Todesschütze, der parallel als harter Hund in der "08/15" (1954) – Trilogie reüssierte. Eine bunte Mischung, zu der noch Charles Regnier in der Rolle eines kultivierten Gang-Anführers mit Vorliebe für klassische Musik stieß, sowie die vielseitige Eva-Ingeborg Scholz, ebenfalls gerade in „08/15“ aktiv. Herausgekommen ist ein Unikat, das sich jeder Genre-Zuordnung verweigert. Zuerst Kriminalfilm wandelt sich „Banditen der Autobahn“ in Richtung Satire und Gesellschaftskritik, wird zur Sozialstudie mit dramatischen Elementen, bevor am Ende die Krimi-Handlung wieder aufgenommen wird.

Eva Berger (Eva Ingeborg Scholz) reagiert kühl auf Kolanski
Das Drehbuch schlug entsprechende Kapriolen. Wirkt Willi Kolanski (Hans-Christian Blech) nach seinen tödlichen Schüssen auf den unglücklichen Porsche-Fahrer noch professionell abgebrüht, bekommt er plötzlich Gewissensbisse. Beim Friseur muss er sich anhören, dass bei der Polizei nur schießwütige ehemalige Wehrmachtssoldaten beschäftigt sind, dann macht sich Wolfgang Neuss bei einem Kabarettbesuch per Chanson über die Uniformierten lustig. Verärgert verlässt Kolanski das Etablissement, während sich seine Begleitung (Ingrid van Bergen) köstlich amüsiert. Um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, sammelt er Geld für den Vater (Paul Hörbiger) des getöteten Fahrers, um sofort als Untermieter in dessen Wohnung zu ziehen – in das verwaiste Zimmer des Jungen, in dem ein gemeinsames Bild mit dessen Freundin Eva Berger (Eva Ingeborg Scholz) steht, die mit im Porsche saß. Da trifft es sich gut, dass er in einer Nachtbar nach 10 Jahren seinem alten Freund und Armee-Kameraden Franz Möller (Wolfgang Wahl) wieder begegnet, der als Fahrer zur Bande der Autobahn-Verbrecher gehört. Und schon schließt sich der Kreis.

Der Gangsterboss (Charles Regnier) in seiner möblierten Unterkunft
Offensichtlich beschränkte sich der knapp 40jährige Kolanski die 10 Jahre nach dem Kriegsende ausschließlich auf seine Polizei-Arbeit, denn weder verfügt er über soziale Bindungen, noch sonst irgendwelche Verpflichtungen. Ein klassischer Drehbuch-Kniff, um dem Helden unbelastet ein neues Leben andichten zu können. Doch so konstruiert die Story-Anlage daher kam, so authentisch blieb der Film im Detail. „Banditen der Autobahn“ gab keinen Wirtschaftswunder-Optimismus wieder, sondern die Situation eines Landes nur wenige Jahre nach dem Kriegsende. Der Wunsch nach einem geordneten bürgerlichen Leben ist vorherrschendes Motiv der Protagonisten. Selbst die Mitglieder der Autobahn-Banditen leben in einer möblierten Wohnung und vertreiben sich die Abende in einem einfachen Nacht-Lokal. Als ihnen der Boden im Kölner Raum zu heiß wird, reicht ihr Geld gerade noch, um das Benzin Richtung Baden-Württemberg bezahlen zu können. Mehr Broterwerb als schillerndes Gangsterleben.

Weniger konkret, aber unmissverständlich ist der sexuelle Subtext des Films. Schon in einer frühen Szenen ziehen männliche Finger eine weibliche Hand vom Radio zurück und stellen es aus - der Grund dafür, warum der Liebhaber die Warnung der Polizei vor dem Schießbefehl auf der Autobahn überhörte. Ob es Eva Bergers Hand war, bleibt offen, aber für sie war die Beziehung mit dem jungen Mann eine Chance, ihrem bisherigen Leben zu entkommen, wie sie später einmal gegenüber Kolanski ausführt. Begriffe wie „Geliebte“ und „Animierdame“ fielen nicht im Film, um die weibliche Hauptfigur nicht zu diskreditieren, aber täuschen konnte man damit Niemand. Die Nachtbar, in der sie als Tänzerin arbeitet, ist das eigentliche Zentrum des Films.

Zwar versuchte die „Illustrierte Filmbühne“ (Beilage der PIDAX-DVD) mit Begriffen wie „untadeliger Beamter“ und „Lohn für seinen selbstlosen Einsatz“ in gewohnter Manier Eindeutigkeit herzustellen, konnte damit aber die Ambivalenz eines Films nicht überspielen, dessen Qualität in seiner Uneinheitlichkeit liegt. Ist die äußerliche Anlage noch konventionell und an der üblichen Erwartungshaltung orientiert, entwickelt der Film besonders im zentralen Teil einen pessimistischen Drive, der viel von der damaligen Realität widerspiegelt.

"Banditen der AutobahnDeutschland 1955, Regie: Géza von Cziffra, Drehbuch: Géza von Cziffra, Wolfgang Neuss, Rolf Thoeren, Darsteller : Eva Ingeborg Scholz, HansChristian Blech, Paul Hörbiger, Charles Regnier, Wolfgang Wahl, Ellen Schwiers, Wolfgang Neuss, Wolfgang Müller, Josef Offenbach, Ingrid van BergenLaufzeit : 94 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Géza von Cziffra:

"Die Beine von Dolores" (1957)

Marianne (1955) Julien Duvivier

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Inhalt: Das Schuljahr in Schloss Heiligenstadt, einem abseits in den bayerischen Bergen gelegenen Jungen-Internat, beginnt. Unter der Leitung vom Professor (Friedrich Domin) erwartet die Jungen – Halbwaisen oder Söhne geschiedener Eltern - ein Leben ungezwungenen Lernens und großer Freiheiten. Innerhalb der Schülerschaft existieren Hierarchien. Es gibt die älteren Schüler wie Manfred (Udo Vioff), die eine Aufsichtspflicht ausüben, oder „Klein-Felix“ (Michael Ende), den Jüngsten, der von Niemandem ernst genommen wird. Für sehr stark hält sich die "Räuber-Bande" um ihren Hauptmann Alexis (Michael Verhoeven), die ihre Mitglieder nach strengen Kriterien auswählt und martialische Regeln pflegt.

Sie alle werden konfrontiert mit einem Neuankömmling, der sich nicht einordnen lässt. Vincent (Horst Buchholz) erhält schon bald den respektvollen Namen „Argentinier“, weil er in der südamerikanischen Pampa groß geworden ist und einen übernatürlichen Zugang zu allen Tieren besitzt. Obwohl sie ihm misstrauen, sind sie gleichzeitig von seiner Ausstrahlung fasziniert, weshalb die "Räuber-Bande" ihn als Mitglied aufnehmen will. Er soll ihnen helfen, in das geheimnisvolle Haus mit den geschlossenen Fenstern auf der anderen Seite des Sees einzudringen – eine Reise ins Unbekannte…


"Marianne" hatte ich zuvor noch nie gesehen, aber der Film war mir bei meinen Recherchen über den Heimatfilm, Marianne Hold oder Horst Buchholz schon früh aufgefallen. Das Wenige, was ich darüber fand, machte mich neugierig und weckte Erwartungen - nur gab es kein Herankommen an den Film. Entsprechend groß war meine Freude, dass die PIDAX ihn a15.04.2016 erstmals auf DVD herausbrachte.

Und meine Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Wiederholt stellte sich heraus, dass gerade die Filme, die trotz prominenter Besetzung und populärer Thematik schnell in Vergessenheit gerieten, von außergewöhnlicher Qualität sind. Der Versuch dem Originatlitel "Marianne" mit der Hinzufügung "meine Jugendliebe" mehr Publikumsaffinität zu verleihen, zeugt von der Hilflosigkeit gegenüber einem Film, der sich einfachen Zuordnung entzieht. "Meine Jugendliebe" ist viel zu prosaisch für die Emotionen und die Fantasie, die Julien Duvivier und Autor Peter von Mendelssohn hier visualisierten(Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite). 



Es gibt Filme, die wirken aus der Zeit gefallen - altmodisch oder ihr weit voraus. Und es gibt Filme, die nicht zum Werk eines Künstlers zu passen scheinen, weshalb sie schnell ausgeklammert werden. Oder der umgekehrte Fall tritt ein: sehr typisch, nur im Detail abweichend und damit auch gegen die geweckte Erwartungshaltung verstoßend. Und es gibt Filme, die zwar populäre Genres bedienen, diese aber so miteinander kombinieren, dass sie sich nicht mehr einordnen lassen. Oder welche, die einen hohen künstlerischen, quasi literarischen Anspruch erheben, gleichzeitig von einfachem, leicht verständlichem Zuschnitt bleiben. Auf "Marianne" treffen alle diese Kriterien zu.

Das beginnt bei den Mitwirkenden, deren Namen heute zwar nicht mehr geläufig sind, deren Schaffen aber bis in die Gegenwart populär geblieben ist. Obwohl er seit frühen Stummfilmzeiten in mehr als 70 Filmen hinter dem Regie-Pult stand, ist der französische Regisseur Julien Duvivier in Deutschland nahezu unbekannt, von den zwei ersten 1952 und 1953 entstandenen „Don Camillo und Peppone“- Filmen hat dagegen beinahe Jeder schon gehört. Internationale Co-Produktionen wie diese waren für Duvivier nicht ungewöhnlich, auch mit deutschen Filmschaffenden arbeitete er mehrfach zusammen. Hildegard Knef spielte in „La fête à Henriette“ (1953) die weibliche Hauptrolle, später übernahm er die Regie bei „Das kunstseidene Mädchen“ (1960) und seinem letzten Film „Diaboliquement vôtre“ (Mit teuflischen Grüßen, 1967) - jeweils mit intensiver deutscher Beteiligung. Die Umstände der Entstehung von „Marianne“ fielen trotzdem aus dem Rahmen.

Die Schaffung zweier Sprachversionen mit unterschiedlicher Besetzung in tragenden Rollen war im internationalen Film-Business nicht ungewöhnlich, betonte in „Marianne“ aber noch zusätzlich die enge deutsch-französische Zusammenarbeit. Das Drehbuch stammte von Peter von Mendelssohn, der seinen eigenen 1932 veröffentlichten Roman „Schmerzliches Arkadien“ für die Verfilmung interpretierte. Unterstützt wurde er von dem späteren Regisseur und Dokumentarfilmer Marcel Ophüls, der wie Von Mendelssohn in Deutschland geboren wurde und vor den Nationalsozialisten nach Frankreich flüchtete. Peter von Mendelssohn kehrte als britischer Staatsbürger nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurück, Marcel Ophüls blieb bis heute ein Wanderer zwischen Frankreich und Deutschland. Auch der Filmtitel „Marianne“ besitzt eine übergreifende Bedeutung, denn die „Marianne“ gilt in Frankreich seit der „Französischen Revolution“ als nationales Symbol der Freiheit – jedes Rathaus besitzt eine „Marianne“-Büste.

Trotzdem lässt sich die Gewichtung einer deutschen Charakteristik nicht übersehen. Die Kulisse von Hohenschwangau mit dem eine zentrale Rolle spielenden Alpsee stehen symbolisch für die deutsche Romantik, der Handlungshintergrund des abgelegenen Jungen-Internats Schloss Heiligenstadt in den bayerischen Alpen war schon Mitte der 50er Jahre von altmodischem Zuschnitt, die kleinen Geschichten um die Jungen-Bande und ihre Aufnahme-Rituale erinnern an zeitgenössische Jugendliteratur. Die Bildsprache schien unmittelbar dem „Heimatfilm“ entnommen, der gerade auf dem Höhepunkt seiner Popularität angekommen war (siehe den Essay "Im Zenit des Wirtschaftswunders"), aber Duvivier stilisierte den Handlungsraum zu einem paradiesischen Ideal und hob ihn damit über die Realität – die tatsächliche geografische Lage spielte keine Rolle. Als Kritik am „Heimatfilm“-Genre war das nicht zu verstehen, sondern als Abbild eines subjektiven Standpunkts. Alles in „Marianne“ ist dem eigenen Empfinden untergeordnet. Die Grenze zwischen Ratio und Fantasie lässt sich nicht ziehen.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Manfred (Udo Vioff in seiner ersten Rolle), der selbst nur eine Nebenrolle einnimmt, als Freund von Vincent (Horst Buchholz) aber von dessen Erlebnissen in dem geheimnisvollen Schloss am anderen Ende des Sees erfährt. Der Film nimmt auf diese Weise eine doppelte subjektive Perspektive ein. Nur so lässt sich die Figur des „Argentiniers“ verstehen, wie die anderen Jungen den Neuankömmling Vincent nennen, da er in Südamerika aufwuchs. Mit ihm stößt etwas Neuartiges und Fremdes in die Idylle. Eine ideale Rolle für Horst Buchholz (in der deutschsprachigen Version), der ein Jahr später als „deutscher James Dean“ in „Die Halbstarken“ (1956) zum Star aufsteigen sollte. Die Verkörperung des Vincent besitzt schon viel von dem Rebell, für den Buchholz berühmt wurde, aber sein Einfluss kommt hier von Innen, nach Außen ist Vincent von fast übernatürlicher Freundlichkeit und Ehrlichkeit.

Betont wird dieser Eindruck noch durch seinen Umgang mit den Tieren des Waldes, die ihm bedingungslos vertrauen, oder seiner Beziehung zu dem jüngsten Schüler Felix (Michael Ande), der von den Anderen als „Klein-Felix“ ausgegrenzt wird. Dank seines emotionalen Überschwangs und seines Muts zum Irrationalen, nahm Buchholz dieser Figur gleichzeitig wieder die Künstlichkeit und verlieh ihr eine menschliche Dimension. Genauer, eine männliche Dimension, denn Peter von Mendelssohn erzählte autobiografisch gefärbt die so schöne, wie schmerzliche Erfahrung des Heranwachsenden von der ersten großen Liebe. Ihm gelang in seiner einzigen Filmarbeit der Spagat zwischen Historie und Gegenwart, zwischen authentischen Gefühlen und einer ins Künstliche gesteigerten Stilisierung. Die Frau existiert hier nur in zwei charakteristischen Versionen – als geheimnisvolle jungfräuliche Schönheit und als sexuell forderndes Wesen, oszillierend zwischen Wunsch- und Alptraum des Mannes.

Die französische Schauspielerin Isabelle Pia spielte die jugendliche Liselotte, die als einziges Mädchen ausnahmsweise auf dem Jungen-Internat unterrichtet wird. Sie ist pure Perfektion. Kühl und blond gibt sie im Innenhof des Schlosses ein Klavierkonzert. Ein Auftritt, der ihr unter ihren männlichen Mitschülern Respekt, aber keine Sympathien einbringt. Anders als Vincent, der zur Gitarre ein melancholisches südamerikanisches Lied singt. Sie begehrt ihn und macht aus ihren Gefühlen kein Geheimnis. Nackt bietet sie sich ihm an, konkret von Duvivier ins Bild gesetzt. Vincent weist sie zurück, aber es ist weniger eine klare Haltung, mehr ein Zurückschrecken vor ihrer direkten Sexualität. Als sie sich rächt, indem sie sein geliebtes Rehkitz tötet, schlägt er sie verzweifelt - für ihren Tod sorgen die Tiere selbst.

Auch die Aura um „Marianne“ ist ehrfurchtgebietend, aber es ist die Art von Gefahr, deren Überwindung einen Mann zum Helden werden lässt. Die selbsternannte „Räuber-Bande“ um ihren Anführer Alexis (Michael Verhoeven) und Vincents Zimmerkameraden Jan (Peter Vogel) plante schon lange, dem geheimnisvollen Schloss auf der anderen Seite des Sees einen Besuch abzustatten. Obwohl sie Vincent misstrauen, nehmen sie seine Hilfe an, lassen ihn aber bei ihrer Flucht allein zurück. Erst in den frühen Morgenstunden kehrt er zurück, begleitet von einem verheerenden Sturm. Er ist vollkommen verändert, fast paralysiert, denn er hat Marianne (Marianne Hold) kennengelernt, die von dem alten Schlossbesitzer und dessen brutalen Diener (Ady Berber) gegen ihren Wille festgehalten wird. So zumindest ist es aus den Worten Vincents zu vernehmen, denn einen Beweis für ihre Existenz gibt es nicht.

Marianne Holds Verkörperung einer unschuldigen Schönheit prädestinierte sie im „Heimatfilm“ zum Objekt der Begierde. Als „Fischerin vom Bodensee“ erlebte sie 1956 ihren endgültigen Durchbruch, wurde aber schon seit Luis Trenkers „Barriera a Settentrione“ (Duell in den Bergen, 1950) wiederholt in der Rolle einer bodenständigen jungen Frau besetzt, deren Eroberung zu einer Herausforderung für den männlichen Protagonisten wurde. Ihr Typus war so eng mit dem „Heimatfilm“- Genre verbunden, dass sie nach dessen Niedergang Anfang der 60er Jahre - obwohl erst Anfang 30 - keine Chance mehr im Film erhielt. 1964 spielte sie ihre letzte Rolle im Karl-May-Film „Der Schut“.

Ihre Besetzung in der Rolle der „Marianne“ war ein Glücksfall, lässt aber gleichzeitig deutlich werden, warum Duviviers Film im Gegensatz zu Marianne Holds parallel erschienenen Heimatfilmen schnell in Vergessenheit geriet. Die große Liebe wurde im Heimatfilm zum erreichbaren Ideal, in Von Mendelssohns Roman blieb sie eine unerreichbare Fantasie. So beglückend wie schmerzlich, so real wie irreal – und so zerrissen und schön wie dieser Film.  







"Marianne"Deutschland, Frankreich 1955, Regie: Julien Duvivier, Drehbuch: Julien Duvivier, Marcel Ophüls, Peter von Mendelssohn (Roman), Darsteller : Horst Buchholz, Marianne Hold, Udo Vioff, Isabelle Pia, Friedrich Domin, Ady Berber, Michael Verhoeven, Michael Ande, Peter VogelLaufzeit : 104 Minuten

weitere im Blog "L'amore in città" besprochene Filme von Julien Duvivier:

"Don Camillo" (1952)

Straßenbekanntschaften auf St. Pauli (1968) Werner Klingler

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Ingo Werner (Rainer Brandt) und Nachtclub-Boss Radebach (Reinhard Kolldehoff)...
Inhalt: Wiederholt bereitet die Kommissarin der Sittenpolizei Renate Petersen (Sibille Gilles) dem Nachtclub-Besitzer Radebach (Reinhard Kolldehoff) mit ihren Razzien auf der Reeperbahn Ärger. Dessen minderjährige Striptease-Tänzerinnen sorgen für gute Geschäfte, aber die ständigen Durchsuchungen und Kontrollen vergraulen seine besten Kunden, auch wenn Petersen ihm bisher noch nichts nachweisen konnte. Um bei Radebach dessen Assistenten Jensen (Jürgen Feindt) auszustechen, schlägt der Szene-Fotograf Ingo Werner (Rainer Brandt) vor, von Petersens 18jähriger Tochter Susanne (Suse Wohl) Nacktfotos zu schießen. Damit könnte man die Kommissarin erpressen.

...lassen sich bei ihrem Erfolgsprogramm nicht gerne stören
Radebach ist einverstanden, aber Werner überschätzt seine Wirkung auf die 18jährige. Zwar streitet sich die Schülerin oft mit ihrer strengen Mutter und hätte gerne mehr Freiheiten, aber nackt ausziehen will sie sich vor seiner Kamera nicht. Deshalb lässt Werner sein Model Gerti (Dagmar Lassander) auf das Mädchen los, die mit ihr früher in eine Klasse gegangen ist. Ihr gelingt es Susannes Vertrauen zu gewinnen und geht mit ihr ohne Wissen der Mutter abends in Radebachs Strip-Schuppen. Doch dann eskaliert die Situation…


St. Pauli - Sehnsuchtsort und moralischer Abgrund
Kein Ort steht mehr für den deutschen Erotik-Film der 60er Jahre. Die Geschichte der Reeperbahn als Vergnügungsmeile begann schon im 19.Jahrhundert, der deutsche Film brauchte bis in die 60er Jahre des 20.Jahrhunderts, bis er den Hamburger Stadtteil St. Pauli jenseits von Hans Albers-Lokalkolorit („Große Freiheit Nr.7“, 1944) als Handlungsort für sich entdeckte. 

Zwar hatten einzelne Filmemacher schon zuvor hinter die Kulissen der verlockenden Reklameschilder gesehen, aber erst die fortschreitende Liberalisierung ließ den ungehinderten Blick auf eine Welt zu, die längst legendär war. Genauer - sich aus heutiger Sicht schon im Niedergang befand. Der Grund für die Konjunktur des Bordellviertels mit seinen vielfältigen Vergnügungs-Etablissements lag nicht in einer plötzlich ausgebrochenen Toleranz, sondern in dessen Stellvertreterrolle für die soziokulturellen Veränderungen nach dem Krieg. Die Halbwelt eignete sich vorzüglich für „Sex-and-crime“-Stories mit dezenten Nacktaufnahmen, kombiniert mit der Warnung vor den Folgen des moralischen Verfalls.



Sittenpolizistin Petersen (Sibille Gilles) und Kommissar Torber (Günther Stoll)
„Straßenbekanntschaften auf St Pauli“ sind diese Voraussetzungen deutlich anzumerken. Schnell und preiswert setzte der Film auf den damaligen Boom im jungen Erotik-Film, geschickt mit einem Filmtitel werbend, der nur wenig mit der eigentlichen Story zu tun hatte. Anders als es auch das Filmplakat suggerieren sollte, spielte Prostitution hier nur eine Nebenrolle. Im Mittelpunkt stehen die Ereignisse in einer Striptease-Bar, in der bevorzugt Minderjährige auftreten. Deren Besitzer Radebach (Reinhard Kolldehoff) bekommt deshalb regelmäßig Besuch von der Polizei. Zwar endeten die Razzien bisher ergebnislos, da Jensen (Jürgen Feindt) - Radebachs „rechte Hand“ - die Mädchen immer rechtzeitig in einem Kellerversteck unterbringen konnte, aber Renate Petersen (Sibille Gilles), die Kommissarin der Sittenpolizei, beginnt zu nerven. Der einschlägig in der Szene bekannte Fotograf Ingo Werner (Rainer Brandt) will Jensen bei Radebach ausstechen und versucht Susanne (Suse Wohl), die 18jährige Tochter der Kommissarin, zu Nacktaufnahmen zu verführen, um Petersen damit zu erpressen.

Leider nur wenig St.Pauli Atmosphäre im...
Trotz der Lichtreklame zu Beginn, Aufnahmen von der Herbert-Straße und dem Hafengebiet wirkt der zentrale Handlungsort austauschbar, könnte die Strip-Bar in jeder größeren Stadt gelegen sein. Anders als bei Rolf Olsen („Der Arzt von St.Pauli“, 1968) oder Jürgen Roland („Polizeirevier Davidwache“, 1964), in deren Filmen die Reeperbahn die heimliche Hauptrolle einnahm und immer Sympathien für die hier lebenden und arbeitenden Menschen mitschwangen, ist das Viertel in „Straßenbekanntschaften auf St Pauli“ ein von anonym wirkenden dunklen Gassen geprägter reiner Sündenpfuhl. 

...Milieu (Jürgen Feindt mit honorigem Gast)
Vielleicht war der geringe lokale Bezug zu St. Pauli auch den begrenzten Produktionsmitteln zu verdanken.
1968 waren Schwarz-Weiß-Aufnahmen schon eine Ausnahme im erotischen Film. Sie könnten auf eine frühere Entstehungszeit hinweisen. Dafür spricht auch die Besetzung mit Günther Stoll, seit dem Durbridge-Dreiteiler „Melissa“ (1966) zum Star aufgestiegen, und Dagmar Lassander, die parallel in weiteren Erotik-Filmen („Andrea - wie ein Blatt auf nackter Haut“ (1968)) Hauptrollen spielte, bevor sie im italienischen Kino reüssierte, in eher untergeordneten Rollen. Stoll bekam in der zweiten Hälfte des Films als ermittelnder Kommissar zwar mehr Screentime, seine Figur blieb mit einem einzigen coolen Gesichtsausdruck aber ohne charakterliche Tiefe, und Lassander als Model Gerti stand story-technisch im Schatten der braven Susanne aus gutem Kommissariat-Hause. Für Suse Wohl - im Gegensatz zu Dagmar Lassander auch nackt zu sehen - blieb diese Rolle ihr einziger Film-Auftritt. Ein Wechsel in der Besetzung hätte „Straßenbekanntschaften auf St Pauli“ gut getan, aber vielleicht wirkte Lassander zu lasziv für eine Schülerin, die dank der Versuchungen einer liberalen Moderne auf die schiefe Bahn gerät.

Für die brave Susanne (Suse Wohl)...
Drehbuchautor Jürgen Knop besaß Erfahrungen im Genre („Treibgut der Großstadt“, 1967) und war wenig später am großartigen „Mädchen mit Gewalt“(1970) beteiligt, aber in „Straßenbekanntschaften auf St.Pauli“ gelang die Mischung aus Sex-, Kriminalfilm und Sozialstudie nicht, weil der moralische Zeigefinger immer spürbar blieb. Der klischeehaften Mutter-Tochter Beziehung um einen leicht aufmüpfigen 18jährigen Teenager, der mit anderen Jugendlichen Zelten möchte und heimlich raucht, stand eine Halbwelt gegenüber, für die der Film keine Sympathien aufbrachte. Das lag besonders an der Gestaltung der eigentlichen männlichen Hauptrolle, dem vom späteren Synchronisations-Guru Rainer Brandt gespielten Fotografen Ingo Werner, der hier die Rolle des Verführers innehatte. Er agiert viel zu brachial und ohne Charme, um glaubwürdig vermitteln zu können, warum die Schülerin Susanne sich von ihm fotografieren lässt. Als sie sich ziert, nackt auszuziehen, fordert er von Gerti (Dagmar Lassander), sie soll sich an ihre frühere Mitschülerin heranmachen.

...wird die Begegnung mit Gerti (Dagmar Lassander) ...
Wie Gerti es gelang, Susannes Vertrauen zu gewinnen, ließ der Film lieber weg. Offensichtlich musste es genügen, dass sie inzwischen zum erfolgreichen Model geworden war, um Susanne von den Verlockungen des Nachtlebens zu überzeugen. Statt zu ihrer Oma zu fahren, geht sie lieber mit ihr in die Striptease-Bar von Radebach, wo sie an einem Model-Wettbewerb mitmacht und zur „Miss Nacht“ gewählt wird. Eine wenig glaubwürdige Wendung, die auf Werner Klinglers Einfluss zurückgehen könnte. Regisseur Klingler, damals schon Ende 60, war seit den frühen 30er Jahren im Filmgeschäft tätig und blieb sowohl während des Nationalsozialismus, als auch in den Boom-Jahren der 50er Jahre vielbeschäftigt. Noch 1962 verantwortete er den vierten Film der erfolgreichen Mabuse-Reihe „Das Testament des Dr.Mabuse“, aber seit 1965 hatte er keinen Regie-Auftrag mehr übernommen, vielleicht auch nicht bekommen.

...zum Alptraum.
Dass er 1968 im jungen Erotik-Film noch ein letztes Mal Regie führte (er starb vier Jahre später) überrascht nur vordergründig. In den späten 50er Jahren hatte er sich intensiv am damals aufkommenden Moralfilm beteiligt, mit dem bevorzugt die weibliche Jugend vor den Gefahren einer liberaleren Sexualität und veränderten Geschlechterrollen gewarnt werden sollte. Den Widerspruch, damit gleichzeitig den Voyeurismus männlicher Betrachter zu bedienen, erfüllte schon sein erster von drei „Arzt“-Filmen „Frauenarzt Dr. Bertram“ (1957), der trotz seines selbstgewählten moralischen Anspruchs ungeniert leicht bekleidete Mannequins zeigte. Auch sein Beitrag zum damals populären Kriegsfilm „Blitzmädels an die Front“ (1958) verband weibliche Schauwerte mit oberflächlicher Geschichtsverarbeitung. In dieser Hinsicht war „Straßenbekanntschaften auf St. Pauli“ eine konsequente Fortführung, verglichen mit den schillernden St.Pauli-Geschichten eines Rolf Olsen oder Jürgen Roland blieb Klinglers Film aber altbacken und wenig authentisch.

"Straßenbekanntschaften auf St. Pauli" Deutschland 1968, Regie: Werner Klingler, Drehbuch: Jürgen Buchmann, Jürgen KnopDarsteller : Günther Stoll, Rainer Brandt, Dagmar Lassander, Suse Wohl, Sibille Gilles, Rainhard Kolldehoff, Jürgen Feindt, Hilde Sessak, Evelyn KünnekeLaufzeit : 75 Minuten

Schmutziger Engel 1958 Alfred Vohrer

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Der souveräne Lehrer Dr. Agast (Peter van Eyck)
Inhalt: Gerade hatte der beliebte Studienrat Dr.Agast (Peter van Eyck) gemeinsam mit seinem Sohn Dieter (Jörg Holmer) das Ruderboot-Rennen im Doppelzweier auf der Innen-Alster gewonnen, als Beate (Corny Collins) ihn schon mit einem Blumenstrauß an der Anlegestelle empfängt. Die Blumen hatte sie zuvor ihrer Klassenkameradin Ruth (Sabine Sinjen) entwendet, die damit Dieter gratulieren wollte, für den sie schwärmt. Doch sie hat keine Chance gegen Beate, die es nicht nur auf ihren Lehrer abgesehen hat, sondern auch dessen Sohn schon auf ihrer Seite weiß.

Böses Mädchen (Corny Collins), braves Mädchen (Sabine Sinjen)
Dessen Begeisterung für Beate, die verwöhnte Tochter eines reichen Unternehmers, teilt Dr.Agast aber nicht, der sie im Gegenteil nicht nur im Unterricht kritisiert, sondern ihre ständigen Annäherungsversuche konsequent und eindeutig zurückweist. Dr.Agast, der als Favorit für das Amt des Direktors im neuen Schulgebäude gilt, interessiert sich stattdessen für seine neue Kollegin Norma Berg (Doris Kirchner), der er den Hof macht. Das bemerkt auch die eifersüchtige Beate, die sich das nicht gefallen lassen will…


Dr. Agast hilft Peter (Rex Gildo)
Als Alfred Vohrer 1958 erstmals bei "Schmutziger Engel" die Regie übernahm, besaß er schon langjährige Erfahrungen im Filmgeschäft. Gelernt hatte er unter Harald Braun, dem er seit den frühen 40er Jahren mehrfach assistierte, nachdem er als Soldat im Krieg seinen rechten Arm verloren hatte. In den 50er Jahren konzentrierte er sich auf die Synchronisations-Regie, bevor er im "Halbstarken-Film" reüssierte, so genannt nach dem gleichnamigen Horst Buchholz-Erfolg von 1956. Für das Drehbuch nach dem in der "Welt am Sonnabend" erschienenen Roman "Im Hauptfach: Liebe" war mit Harald G.Petersson ein Veteran verantwortlich. Schon in den 30er und 40er Jahren viel beschäftigt, startete der früher mit der inzwischen verstorbenen Schauspielerin Sybille Schmitz verheiratete Autor nach einer knapp 10jährigen Auszeit noch einmal richtig durch. Vohrer begleitete er bei einigen frühen Edgar-Wallace-Filmen ("Das Gasthaus an der Themse", 1962), noch mehr war er verantwortlich für die Erfolgsgeschichte der Karl-May-Filme. Nach seinen Drehbüchern entstanden "Der Schatz im Silbersee" (1962) und die "Winnetou"-Trilogie.

Studienrat Kalweit (Werner Peters) hält sich für geeigneter als Direktor
Neben diesen Voraussetzungen konnte "Schmutziger Engel" auch mit einem prominenten Cast überzeugen. An erster Stelle sei Peter van Eyck genannt, damals im Zentrum seiner Karriere. Bis zu seinem frühen Tod mit 58 Jahren im Jahr 1969 übernahm er ab Mitte der 50er Jahre Hauptrollen in mehr als 50 Kinofilmen. Daneben verfügt der Film über attraktive und populäre Darstellerinnen, beginnend bei der 17jährigen Sabine Sinjen, seit "Die Frühreifen" (1957) auf dem Weg zum Kino-Star, dazu Corny Collins, Dauergast im "Moral-Film" dieser Zeit ("Am Tag als der Regen kam", 1959), Doris Kirchner, Edith Hancke und Adelheid Seeck. Hans Nielsen, Werner Peters, Ralf Wolter und der junge Alexander "Rex" Gildo in männlichen Nebenrollen vervollständigten eine beeindruckende Besetzung, die die Frage aufwirft, warum der in Hamburg gedrehte "Schmutziger Engel"– alles andere als ein Anfänger-Werk - im Gegensatz zum Großteil von Vohrers Filmen in der Versenkung verschwand?

Beate (Corny Collins) weiß ihre Reize einzusetzen...
Dem ließe sich entgegnen, dass sehr nah am jeweiligen Zeitgeist orientierte Filme häufig dieses Schicksal ereilte. Besonders der wenig verklausulierte pädagogische Auftrag der Jugend-Problemfilme der späten 50er Jahre verlor schnell den Wettlauf gegen die Zeit. Junge Männer sollten vor dem Abrutschen in die Kriminalität gewarnt werden, junge Frauen galt es vor dem Verlust ihres Rufes zu bewahren, der durch sexuelle Liberalisierung und Emanzipation drohte. „Schmutziger Engel“ scheint in dieser Hinsicht prototypisch zu sein: gleich zu Beginn wird Peter Utesch (Rex Gildo) eines Diebstahls überführt, weshalb er von der Schule verwiesen wird. Er hatte einem Mädchen imponieren wollen. Nur Studienrat Dr.Torsten Agast (Peter van Eyck) gibt ihm noch eine Chance, bringt ihn an einem anderen Gymnasium unter und lässt ihn die von ihm übernommene Schuld abarbeiten. Eine souveräne Vorgehensweise, die an Heinz Rühmanns Rolle im parallel erschienenen „Der Pauker“ (1958) erinnert, hier aber nur eine Nebenrolle spielte.

...nur bei Papa (Hans Nielsen) gibt sie die brave Tochter
Im Mittelpunkt steht die Schülerin Beate (Corny Collins), Tochter aus reichem Unternehmer-Haus, gewöhnt alles zu bekommen was sie will. Mit ihrer offenen Sexualität verführt sie die Männer reihenweise – auch Peter Utesch wurde ihretwegen kriminell – nur am Studienrat Agast beißt sie sich die Zähne aus. Negative weibliche Figuren wie diese gehörten zum Standard-Repertoire des Moralfilms, ihr Beispiel sollte vor den Gefahren von Egoismus und Unmoral warnen. Doch damit endeten die Parallelen, denn in „Schmutziger Engel“ fehlte der gefährdete positive Gegenpol. Sabine Sinjen als Klassenkameradin Ruth ist mit ihrem Pferdeschwanz zwar positiv konnotiert, aber viel zu brav und blass, um als Identifikation dienen zu können. Im Gegensatz zu ihrer Rolle in „Die Frühreifen“, in dem sie neben Hauptdarstellerin Heidi Brühl fasziniert ist vom Luxus und Lebenswandel einer Gruppe junger Männer – und damit Gefahr läuft, moralisch abzurutschen – ist Ruth hier nur ein nettes Mädchen, ohne charakterliches Profil. Ihre Freundschaft zu der berechnenden Beate, mit deren Machenschaften sie nichts zu tun hat, wirkt unglaubwürdig.

Dr. Agast wirbt um die Kollegin Norma Berg (Doris Kirchner)
Diese Eindimensionalität durchzieht den gesamten Film. Anders als Hans Söhnker in „Wegen Verführung Minderjähriger“ (1960) gerät Peter van Eyck in seiner Lehrer-Rolle trotz der sich ungeniert anbietenden Schülerin keinen Moment in Versuchung. Stattdessen wird sein Werben um die neue Studienrätin Norma Berg (Doris Kirchner) von der korrektesten Seite gezeigt. Bevor sich der Witwer, der mit seinem jugendlichen Sohn Dieter (Jörg Holmer) ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, Norma annähert, ihr auch nur das „Du“ anbietet, stellt er ihr einen Heiratsantrag. Dass Dr. Agast, nachdem sich Beate die Bluse in seiner Wohnung selbst zerrissen hatte, in die Mühlen des Gesetzes gerät, löst deshalb nur ein Scheindrama aus – selbstverständlich halten alle zu dem hochanständigen, beliebten Lehrer. Nur sein Sohn zeigt kurz Aversionen, da Beate ihn zuvor verführt hatte, und gemäß Rollenklischee Werner Peters als missgünstiger Kollege, der selbst gerne Direktor im neuen Schulgebäude werden möchte. Dass Beates Vater (Hans Nielsen) sich für seine Tochter einsetzt und den Lehrer anzeigt, wird dagegen akzeptiert – schließlich wendet sie bei ihm alle Tricks an.

Beate gesteht vor einem Tribunal ihrer Mitschüler die Wahrheit...
Es hätte nur an wenigen Stellschrauben gedreht werden müssen, um aus der Story ein ambivalentes Drama entstehen zu lassen. Die Andeutung einer Schwäche bei dem Lehrer, eine weniger konkrete Inszenierung des körperlichen Übergriffs in dessen Wohnung, die unterschiedliche Interpretationen zugelassen hätte, und eine Charakterisierung der Schülerin, die auch Verständnis für deren Jugend aufgebracht hätte. Das war offensichtlich nicht gewollt. Stattdessen zweifelt nicht einmal der Staatsanwalt an dem Angeklagten und von Rufschädigung ist in „Schmutziger Engel“ keinen Moment die Rede. Dessen am Ende wieder hergestellte Reputation war auch Ende der 50er Jahre, trotz der Vorurteile gegenüber sexuell aktiven Frauen, genauso unrealistisch wie das von den Mitschülern erzwungene Geständnis Beates, das den Tatbestand der Folter erfüllte und vor keinem Gericht Bestand gehabt hätte.

...kommt aber gut davon
Dem Unterhaltungswert des Films, der wie im Jugend-Problemfilm üblich auch freizügige Blicke zuließ, schadete das nicht, verhärtet aber den Eindruck, dass es Vohrer und Autor Petersson mehr um eine schöne Kolportage-Story als um pädagogische Aufklärung ging. In ihrem Film fehlte die entscheidende Essenz - die Warnung vor dem gesellschaftlichen Niedergang. Nicht nur dem Lehrer wurde ein Happy-End erster Klasse gegönnt, auch Beate muss nur wenig einstecken. Ihr Papa tadelt sie noch liebevoll, bevor sie den Flieger Richtung Schweizer Internat besteigt, schon begleitet von einem Kavalier, der ihren Koffer trägt. Einsicht in ihr vorheriges Verhalten oder gar Büßergang Fehlanzeige. Fast scheint es, als wollte Vohrer dem „Moralfilm“ mit „Schmutziger Engel“ am Ende eine lange Nase drehen.

"Schmutziger Engel" Deutschland 1958, Regie: Alfred Vohrer, Drehbuch: Harald G. Petersson, Roland Ragge (Roman), Darsteller : Peter van Eyck, Corny Collins, Sabine Sinjen, Doris Kirchner, Edith Hancke, Adelheid Seeck, Jörg Holmer, Werner Peters, Hans Nielsen, Rex Gildo, Ralf Wolter, Laufzeit : 90 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Vohrer:

"Bis dass das Geld euch scheidet" (1960)

Freddy und die Melodie der Nacht 1960 Wolfgang Schleif

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Freddy (Freddy Quinn) kümmert sich um Inge (Heidi Brühl)...
Inhalt: Wie jeden Abend tritt Freddy (Freddy Quinn) seinen Job als Taxi-Fahrer an, der seine Kunden durchs nächtliche Berlin transportiert. Zu seinen ersten Fahrgästen gehören Karl (Peter Carsten) und Willy (Harry Engel), die am Tegeler Flughafen in sein Taxi steigen. Freddy ahnt nicht, dass sie einen Überfall auf einen Geldtransport begangen hatten, ohne Beute zu machen. Ihre Flucht aus Berlin (West) per Flugzeug scheiterte an 50 Mark, weshalb sie das fehlende Geld dringend auftreiben wollen. Als sie mitbekommen, wie Freddy seinem Kollegen Paul (Werner Stock) 50 Mark für eine Tankfüllung gibt, wechseln sie mit dessen Einverständnis das Taxi.

...Karl (Peter Carsten) und Willy (Harry Engel) sind erst später dran
Die scheinbar lukrative Fahrt wird für den Familienvater Paul schnell zum Alptraum, denn Karl schießt rücksichtslos auf ihn. Mit den 50 Mark fliehen die beiden Männer und lassen den Schwerverletzten zurück. Inzwischen kümmert sich Freddy um Direktor Wendlandt (Hans Nielsen), der auf der Suche nach frivoler Unterhaltung im Berliner Nachtleben ist. Zuerst musste Freddy die Blumenverkäuferin Inge (Heidi Brühl) aus dessen Fängen befreien, aber der Mittfünfziger erweist sich zunehmend als sympathische Frohnatur…


Coolness war 1960 noch kein stehender Begriff für einen souveränen Charakter, der nie die Nerven verliert. Und Freddy Quinn, der Schlagersänger und "Junge von St.Pauli", gehört aus heutiger Sicht kaum zu den üblichen Verdächtigen dieser Spezies, aber genau das war er in seinen Rollen - cool bis zum Abwinken. In "Freddy und die Melodie der Nacht" spielte er einen Taxifahrer in Berlin (West), der immer weiß was zu tun ist und immer die richtigen Worte findet. Egal ob er einen reichen Unternehmer (Hans Nielsen) zu den einschlägigen Etablissements der Stadt kutschiert, seinem Kollegen - Typ kinderreicher Familienvater – eine lukrative Fahrt überlässt, auf dem Polterabend seines Chefs die Unterhaltungs-Kanone gibt, für die Imbissverkäuferin Frau Bremer (Grethe Weiser) ein paar charmante Worte übrig hat oder Jagd auf Verbrecher macht.

Selbstverständlich weiß er auch Inge (Heidi Brühl) zu umgarnen, die als Blumenmädchen nachts Geld für ihr Studium verdient und Anmache gewohnt ist. Sie lässt sonst Jeden abblitzen, nur Freddy findet den Zugang zu ihr - dabei jederzeit den gebotenen Anstand wahrend. Mühelos kombinierte Quinn den Typus "idealer Schwiegersohn" mit dem Typus "einsamer Wolf", zu dem er zu Beginn des Films hochstilisiert wird, wenn er in Lederjacke seinem nächtlichen Gewerbe nachgeht und das Lied "Melodie der Nacht" zum Besten gibt:


"Melodie der Nacht, wenn die Dunkelheit erwacht,
zieh' ich durch die große Stadt,
einsam hallt mein Schritt, es geht Niemand mit mir mit,
durch die menschenleeren Straßen,
so bin ich allein und frage mich, gibt`s ein Herz, das mich vermisst,
und wo ist der Mensch, der zu mir hält, der genau wie ich einsam ist?
Melodie der Nacht, du hast Freud' und Leid gebracht, doch die Nacht, sie wird vergeh‘n,
Melodie der Nacht, wenn ein neuer Tag erwacht, wird dein Klang im Wind verweh'n"

Direktor Wendlandt (Hans Nielsen) schlägt ein wenig über die Strenge...
Drehbuchautor und Liedtexter Aldo von Pinelli, seit "Schlagerparade" (1953) eine Institution im deutschen Schlagerfilm, hatte wieder ganze Arbeit geleistet und kein Klischee ausgelassen. Gemeinsam mit Gustav Kampendonk und Regisseur Wolfgang Schleif war er seit "Freddy, die Gitarre und das Meer" (1959) für den Aufstieg Quinns zum Superstar verantwortlich. Im Schlagerfilm "Die große Chance" (1957) nach Von Pinellis Drehbuch spielte Quinn noch eine Nebenrolle, "Freddy und die Melodie der Nacht" wurde nach "Freddy unter fernen Sternen" (1959) dann schon sein dritter Film als Hauptdarsteller innerhalb eines Jahres - immer gemeinsam mit dem Kreativ-Trio.

...und Mutter Brehmer (Grethe Weiser) sorgt für nächtliches Wohlbefinden
Das ließ auch sonst keinen Zweifel am Charakter der übrigen Rollen, die streng auf Linie gebürstet wurden. Hans Nielsen als Direktor Wendlandt spielte einen Kapitalisten mit menschlichem Anstrich, der nach langer Ehe hin und wieder ein wenig Ablenkung sucht. Natürlich ganz im Verständnis-Modus für männliche Schwächen – angetrunken, leicht über die Strenge schlagend, aber auch spendabel und selbstironisch. Im Stil eines großen Bruders sorgt Freddy dafür, dass er am Ende wohlbehalten nach Hause kommt. Auch Grethe Weiser als Würstchenverkäuferin mit Berliner Schnauze ist hier in ihrem Element. Immer herzlich direkt gegenüber ihrer Kundschaft, nur Sohn Willy (Harry Engel) kann bei ihr machen was er will – ihm kann sie nicht böse sein.

„Der Junge ist kein schlechter Kerl, nur zu verwöhnt“

Kai Fischer als promiskuitive Anka...
Keine typischen Worte eines Altvorderen, sondern von Inge, der Idealverkörperung einer tüchtigen jungen Frau. Hübsch, aber dezent gekleidet, nachts für ihr Sprachen-Studium arbeitend, aber moralisch integer bei Mutter Bremer zur Untermiete wohnend. Heidi Brühl gegenüber steht Kai Fischer in ihrer gewohnten Rolle als „billiges Flittchen“ (Zitat Mutter Bremer). Optisch sexuell herausfordernd, lässt sich Anka (Kai Fischer) gerne von den Männern aushalten, ohne sich festzulegen. Der schwache Willy ist für sie ein willkommenes Opfer – bei Freddy hätte sie keine Chance. Das gilt auch für Willys Freund Karl Bachmann (Peter Carsten), ein Krimineller, der keine Skrupel kennt, Frauen zu schlagen und auf Wehrlose zu schießen. Mit Willy zusammen hat er einen Geldtransport überfallen, musste aber ohne Beute abziehen. Jetzt fehlt ihnen das Geld, um aus dem Berliner Westen in die Bundesrepublik zu fliehen.

...und Erotik im Berliner Nachtleben
An dieser Figuren-Konstellation wird die Nähe des Films zum damals populären „Moral-Film“ deutlich, mit dem die Jugend vor den Gefahren einer sich verändernden Sozialisation gewarnt werden sollte. Anka, Willy und Karl stehen für die negativen Auswirkungen loser Moral- und egoistischer Konsumvorstellungen, Inge für die gewünschte Rolle einer zukünftigen Hausfrau und Mutter. Und Freddy ist „der Fels in der Brandung“, ein Mann, der immer zwischen Gut und Böse unterscheiden kann, dabei auch mal ein Auge zudrückend. Gesanglich blieb er zurückhaltend. Wie der gesamte Film, dessen Musiknummern sich - anders als im „Schlagerfilm“ üblich - stimmig ins Geschehen integrierten. Das Hauptgewicht lag auf zwei professionellen Tanznummern, die im Zusammenhang mit Freddys Tour durch die Berliner Nacht-Clubs gezeigt wurden. Hier durfte es hemmungslos erotisch zugehen, damit nicht nur Direktor Wendlandt auf seine Kosten kam.

Geschuldet war diese frivole Seite auch dem Bild Berlins als verruchte Großstadt zwischen Kriminalität und Verlockung. Der Heimatfilm-Charakter, den Quinns Filme im Kontrast zu seinem weltmännischen Auftreten (Motto „in der Heimat ist’s am schönsten“) sonst auszeichneten, blieb wie die Sehenswürdigkeiten der Stadt oder deren politische Teilung fast vollständig ausgeblendet. Betont wurde dagegen die fehlende Sperrstunde. Berlin hat nie geschlossen – die Wurst bei Mutter Brehmer nachts um 2 ist genauso selbstverständlich wie die geöffnete Kneipe am frühen Morgen. Zwischendurch geht Freddy auch aufs Polizeirevier und macht eine Aussage über die zwei Verbrecher. Anzusehen ist den Protagonisten die nächtliche Stunde nicht, müde wirkt hier Niemand, viel mehr wurde die Handlung einfach in die Dunkelheit verlegt.

Will man von Handlung reden, denn eine echte Story existiert hier nicht. Einzig die beiden Kriminellen Karl und Willy sorgen für etwas Dynamik, aber ihr Verhalten ist an Unlogik schwer zu übertreffen. Da ihnen Geld für die Flucht per Flugzeug aus dem Westteil Berlins fehlt, überfallen sie Freddys Taxi-Kollegen, nachdem sie mit angesehen hatten, dass er von Freddy 50 Mark für eine Tankfüllung erhalten hatte. Blöderweise hatte Karl das Ersatzmagazin seiner Waffe zuvor in Freddys Taxi verloren, weshalb sie sich in den folgenden Stunden auf dessen Spur setzen, um das mögliche Beweisstück gegen sie wiederzubekommen. Nicht nur das sie sich dabei ungeschickt und zögerlich verhalten, sie hatten inzwischen so viele Indizien hinterlassen, dass es darauf gar nicht angekommen wäre – sie verlieren nur unnötig Zeit.

Eine Rolle spielte das nicht, denn „Freddy und die Melodie der Nacht“ erinnert in seiner Ziellosigkeit, dem Aufnehmen unterschiedlicher Handlungselemente, ohne sie zu Ende bringen zu müssen, an die parallel aufkommende „Nouvelle vague“. Von Pinelli, Kampendonk und Schleif kombinierten Schlagerfilm, Großstadt-Drama, Moralfilm, Liebes- und Kriminalgeschichte zu einem Mix, der den einzelnen Bestandteilen wieder ihr Gewicht nahm. In seiner auf Relativierungen verzichtenden Tragik ist der Film zudem von einer überraschenden Konsequenz. Das Bild der zurückgelassenen Grethe Weiser brennt sich in die Erinnerung und widerspricht Freddys Liedtext – der Klang der Nacht verweht nicht beim Tagesanbruch.

"Freddy und die Melodie der Nacht" Deutschland 1960, Regie: Wolfgang Schleif, Drehbuch: Aldo von Pinelli, Gustav Kampendonk, Darsteller : Freddy Quinn, Heidi Brühl, Grethe Weiser, Peter Carsten, Kai Fischer, Harry Engel, Hans Nielsen, Werner Stock, Laufzeit : 89 Minuten

Suzanne - die Wirtin von der Lahn 1967 Franz Antel

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"Die Wirtin von der Lahn" (Teri Tordai) im Heimatfilm-Look
Inhalt: 1810 in Gießen an der Lahn: Während sich die Studenten unter der Führung von Anselmo (Mike Marshall) gegen die Willkür-Herrschaft des von Napoleon eingesetzten Statthalters Graf Dulce (Jacques Herlin) mit Spott-Gedichten auflehnen, verfolgt der wohlhabende Gastwirt Goppelmann (Oskar Sima) ganz eigene Ziele. Er will das an der Lahn gelegene Wirtshaus von der alten Besitzerin erwerben. Doch diese denkt gar nicht daran, ihm es zu verkaufen, sondern vererbt es spontan an Suzanne (Teri Tordai), die gerade mit ihrer Schauspieltruppe eingetroffen war, bevor sie stirbt.

Anselmo (Mike Marshall) als studentischer Aufrührer
Ein Schlag, den Goppelmann nicht wehrlos hinnimmt. Im Wissen, dass Anselmo mit einer Druckerpresse Flugblätter gegen die Obrigkeit herstellt, erpresst er ihn, seine Dichtkünste gegen die neue Wirtin an der Lahn zu richten. Er soll sie mit seinen Fünfzeilern moralisch diskreditieren, damit sie und ihre Leute aus der Stadt gejagt werden. Anselmo, der Suzanne noch nicht kennengelernt hat, murrt zwar, verbreitet mit seinen Gedichten aber schnell das Gerücht über die losen Sitten, die im Wirtshaus herrschen sollen. Doch die Reaktionen darauf fallen anders aus, als es Goppelmann erhofft hatte… 



"Es steht ein Wirthaus an der Lahn,
da kehren alle Fuhrleut' ein,
Frau Wirtin sitzt am Ofen,
die Fuhrleut' um den Tisch herum,
die Gäste sind besoffen"




So lautet der erste "Wirtinnen"-Fünfzeiler, dem noch viele Hundert folgen sollten. Heute ist die Bedeutung dieser aus dem 18.Jahrhundert stammenden Spottverse ebenso in Vergessenheit geraten wie Franz Antels früher Erotik-Film "Die Wirtin von der Lahn", der sich an den anzüglichen Gedichten orientierte und mit fünf Nachfolgern zur ersten erfolgreichen Erotikfilm-Reihe wurde.
Die Screenshots hier im Blog stammen von der italienischen Fassung, sind zwar recht grobkörnig, aber das Bildformat ist näher am Original als die deutsche Fassung.



Harald Leipnitz und Teri Tordai als Partner im Clinch...
"Liebesgrüße aus Tirol" (1965), "Ruf der Wälder" (1965), "Happy End am Wolfgangsee" (1966) - so lauteten die Titel der letzten drei gemeinsamen Filme von Regisseur Franz Antel und Drehbuchautor Kurt Nachmann, bevor sie "Suzanne - die Wirtin von der Lahn" 1967 herausbrachten. Seit sie Mitte der 50er Jahre ("Heimatland" (1955)) begannen, die deutsche Musik- und Heimatfilmlandschaft in Richtung Moderne zu trimmen, waren sie zu einem eingeschworenen Team geworden - den Niedergang des Genres in den 60er Jahren konnten sie trotzdem nicht verhindern (siehe den Essay „Der Weg in die Moderne - der Heimatfilm der Jahre 1958 bis 1969“). Weder half die zeitgemäße Interpretation des Eschenbach-Stoffs in "Ruf der Wälder", noch die Frivolität in "Happy End am Wolfgangsee", dem der Film seine spätere Umbenennung in "00 Sex am Wolfgangsee" verdankte. Erst "Die Wirtin" belohnte das Wagnis, verstärkt auf die Sex-Karte zu setzen, und brachte den erhofften Erfolg an der Kinokasse nicht nur in Deutschland, sondern auch im Land des Co-Produzenten Italien.

...und auf Abwegen mit Caroline (Pascal Petite)...
Mit von der Partie waren auch die Ungarn und die Franzosen – im frühen Erotikfilm keine Seltenheit, um das Risiko auf viele Schultern zu verteilen. Diesem Einfluss war auch die Besetzung der Titelrolle mit der ungarischen Schauspielerin Teri Tordai zu verdanken, die der Reihe in allen sechs Folgen vorstand, während ihr männlicher Co-Partner Harald Leipnitz nach Teil 4 ausstieg. Die Internationalität in der Besetzung blieb ein Charakteristikum der „Wirtinnen“-Filme. Der US-Darsteller Mike Marshall gab ein Gastspiel als revolutionärer Student im Erstling, die Französin Pascal Petit bereicherte die ersten beiden Wirtinnen-Filme mit ihrer Erotik, ihr Landsmann, der Komiker Jacques Herlin, gehörte zum Inventar aller sechs Verfilmungen und die italienischen Erotik-Aktricen Femi Benussi und Edwige Fenech standen in Nebenrollen noch am Beginn ihrer Karrieren. Die schmissige Musik des Titelsongs stammte aus der Feder des italienischen Filmkomponisten Gianni Ferrio, aber die entscheidenden Ideengeber blieben Regisseur Antel und Autor Kurt Nachmann, die eine feine Mischung aus Historie, Heimatfilm und Erotikkomödie ersannen, die den Nerv des damaligen Publikums traf.

...und Anselmo
„Die Wirtin von der Lahn“ wurde nicht nur zur längsten Filmreihe im deutschsprachigen Kino mit einer weiblichen Hauptfigur im Zentrum des Geschehens, sie kam vor Oskar Kolles Aufklärungsfilmen („Das Wunder der Liebe“, 1968) und Erwin Dietrichs „Die Nichten der Frau Oberst“ (1968) heraus und brachte es schon auf fünf Filme, bevor der „Schulmädchen-Report“ (1970) erstmals auf die Leinwand kam. Trotzdem taucht die Reihe in keiner Nachbetrachtung zur Entstehung des deutschen Sexfilms auf und wurde nur lieblos und ohne Zeitbezug auf Video oder DVD veröffentlicht. Dabei sind die Filme ein wunderbares Spiegelbild ihrer Zeit und geben ein Beispiel für die rasante soziologische Entwicklung der späten 60er Jahre – eine Wiederentdeckung:

Der Graf (Jacques Herlin) und sein Vasall (Gunther Philipp)...
Antel und Nachmann setzten früh auf ein probates Mittel, um größere Zuschauerschichten zu erreichen – die Historie. Wie der überragende Erfolg von „Die Nichten der Frau Oberst“ nach einer Romanvorlage von Guy de Maupassant wenig später erneut bewies, nahmen historisch-literarische Vorlagen dem Publikum die Berührungsängste vor dem Erotik-Film. Die anzüglich-derben fünfzeiligen Verse im Stil eines „Limericks“ über die „Wirtin von der Lahn“ besaßen ihren Ursprung im frühen 18.Jahrhundert und verstanden sich als Gegen-Reaktion auf die strengen bürgerlichen Moralvorstellungen. Wie diffizil der Umgang mit den Spott-Gedichten 1967 noch war, wird daran deutlich, dass besonders frivole Zeilen bis zur Unverständlichkeit verfremdet wurden. Auch das „Eingreifen der Sitten-Commission“ im Stil einer Tafel, die sich über das Bild schiebt, sobald nackte Haut zu sehen ist, war Witz und Notwendigkeit zugleich. Antel machte sich über die Zensur lustig, kam ihr aber gleichzeitig entgegen.

...wollen Anselmo an den Kragen, aber...
Dieser ständige Wechsel zwischen Moral und Unmoral ist charakteristisch für den gesamten Film, besonders aber für die Gestaltung der weiblichen Hauptfigur, die von Teri Tordai zwischen Emanzipation und Unterordnung, zwischen Freizügigkeit und Tugend angelegt wurde. Als Leiterin einer fahrenden Schauspieltruppe tritt sie selbstbewusst und bestimmt auf, zum Helden des Films wird aber der Student Anselmo (Mike Marshall), der sich gegen den Grafen Dulce (Jacques Herlin), einen Statthalter Napoleons, auflehnt, der die Menschen in Gießen und Umgebung unterdrückt. Suzanne wird Anselmos Geliebte, obwohl ihm die anzüglichen Verse über die „Wirtin von der Lahn“ zu verdanken sind. Ursprünglich setzte er seine fünfzeiligen Spott-Gedichte gegen die Obrigkeit ein und verbreitete sie auf Flugzetteln, aber der verschlagene Wirtshausbesitzer Goppelmann (Oskar Sima) hatte ihn gezwungen, auf diese Weise die angebliche Unmoral im „Wirtshaus an der Lahn“ zu besingen, um die lästige Konkurrentin loszuwerden, die durch Zufall Wirtshausbesitzerin geworden war.

...wichtiger ist das "Wirtshaus an der Lahn" und...
Der dahinter verborgene Widerspruch steht beispielhaft für die Entstehungszeit des Films. Die Spott-Verse über die „Wirtin von der Lahn“ versprachen ungenierte Erotik, in der Film-Handlung stehen sie aber für eine falsche Behauptung. Frau Wirtin und ihre Schauspiel-Truppe sind in Wirklichkeit ganz tugendhaft, was sie aber nicht daran hindert, dem geilen Grafen Dulce - durch die vielversprechenden Verse angelockt - einen Bordell-Betrieb im Wirtshaus vorzuspielen. Natürlich nur Theater, um Zeit zu gewinnen, damit der zum Tode verurteilte Anselmo noch begnadigt werden kann. Diese On/Off-Vorgehensweise hatte den Vorteil, ordentlich Frivolitäten und Nacktheit auf die Leinwand zu bringen, ohne die Protagonisten als unmoralisch zu diskreditieren. Teri Tordai trat zwar in verführerischen Posen auf, war aber nur für einen Mann zu haben. Als sie einmal allein über den Wipfeln der Umgebung durch die Landschaft schreitet, erinnert ihre Inszenierung unmittelbar an den Heimatfilm.

...seine Verlockungen
Unterstützend stand ihr in einer Nebenrolle Hannelore Auer zur Seite, die hier nur wenig als Sängerin in Erscheinung trat, sondern mehr um als so hübsches, wie anständiges Mitglied der Theatergruppe am Ende den netten Sohn des bösen Goppelmann zu ehelichen und gemeinsam mit ihm das „Wirtshaus an der Lahn“ weiter zu führen. So viel Ordnung musste 1967 im Erotikfilm noch sein.


Die Wirtin setzt sich gegen Göppelmann (Oskar Sima) durch
Diese inkonsequente Vorgehensweise wirkt aus heutiger Sicht altmodisch, lässt aber nicht übersehen, mit welchem Spaß die Beteiligten damals bei der Sache waren. Besonders im Zusammenspiel von Teri Tordai und Harald Leipniz wurden die nach außen hin behaupteten Konzessionen lässig hintertrieben. Leipniz als männliches Gegenstück in der Schauspieltruppe, der hier etwas konstruiert zum Offizier der französischen Armee gemacht wird, steht in einer nicht konkretisierten Beziehung zu Frau Wirtin und liefert sich mit ihr manches Wortgefecht. Am Ende erweisen sich ihre jeweiligen Techtelmechtel nur als Intermezzo und sie begeben sich wieder gemeinsam auf den Weg zu neuen Abenteuern – in einer fröhlichen Ungezwungenheit, die den gesamten Film prägte und ihn über jede Unzulänglichkeit der Handlung trug.

"Suzanne - die Wirtin von der Lahn" Deutschland, Italien, Frankreich, Ungarn 1967, Regie: Franz Antel, Drehbuch: Kurt Nachmann, Darsteller : Teri Tordai, Harald Leipnitz, Mike Marshall, Pascal Petite, Jacques Herlin, Hannelore Auer, Gunther Philipp, Oskar Sima, Franz Muxeneder, Laufzeit : 87 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Franz Antel:

"Warum habe ich bloss 2x ja gesagt" (1969)

Die Fastnachtsbeichte (1960) William Dieterle

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Inhalt: 1913 – Mainz am Fastnachtssamstag. Ein Soldat (Rainer Brandt) schwankt auf den Beichtstuhl des Dom-Probst Canon Henrici (Friedrich Domin) zu, bricht aber nach wenigen Worten zusammen. Henrici lässt ihn in die Sakristei bringen und ruft einen Arzt, der aber nur noch den Tod des Mannes feststellen kann. Ihm fällt zudem auf, dass er trotz seiner Uniform kein Soldat sein kann – sein Haarschnitt entspräche nicht den Vorschriften.



Gleichzeitig erreicht Viola (Gitty Djamal) die Villa ihres Onkels Panezza (Hans Söhnker). Sie gehört zum italienischen Zweig der Familie und war seit ihrer Kindheit nicht mehr in Mainz, wird von ihrem Cousin Jeanmarie (Christian Wolff) aber sofort erkannt. Sie reagiert dagegen überrascht auf ihn, was sie mit ihrer langen Abwesenheit entschuldigt. Trotzdem gerät ihre Ankunft etwas ins Hintertreffen, denn die allgemeine Aufregung gehört ihrem Onkel, der in diesem Jahr gemeinsam mit der jungen Katharina (Helga Tölle) das Prinzenpaar bildet. Dass sich ihre Beziehung nicht allein auf den Karneval beschränkt, ahnt scheinbar Niemand…


In Erinnerung an Götz George, mit 77 Jahren gestorben am 19.06.2016

Dass zu Götz Georges Tod sofort an seine Rolle als Tatort-Kommissar Schimanski erinnert wird, ist naheliegend, lässt aber vergessen, dass er schon mehr als 25 Jahre vor "Duisburg - Ruhrort" (1981) als Schauspieler aktiv war, erst in den 60er Jahren dank der "Karl May"-Filme zum Kinostar aufstieg, um in den 70er Jahren zunehmend Fernseh-Präsenz zu zeigen. Neben vielen populären Rollen galt sein Augenmerk immer auch engagierten, in ihrer Entstehungszeit provokanten Werken wie den Staudte-Filmen "Kirmes" (1960) und "Herrenpartie" (1964). Auch "Die Fastnachtsbeichte" nach einer Novelle von Carl Zuckmayer gehörte in diese Kategorie, auch wenn der Verfilmung die Reputation als gesellschaftskritisches Werk damals nicht zugestanden wurde - aus heutiger Sicht eher eine Auszeichnung. 

Die in meinem Text aufgeführten Hintergrundinformationen, mehr aber noch die vergleichenden Überlegungen zur Literaturvorlage Zuckmayers verdanke ich der sehr ausführlichen Analyse eines Vortrags von 1996 aus Anlass der Nähe des Films zur Stadt Mainz. Nachzulesen auf der Web-Seite "Mainz-Minas" mit einer Fülle weiterer Informationen zum Film und dessen Entstehung. 


"Leider erliegt Götz George – wie schon in "Kirmes"– dem Trugschluss, asthmatisches Sprechen wirke schon bei einem Anfang-Zwanziger sehr eindrucksvoll." 

Was genau der Kritiker des "Film-Echo" gehört haben will, bleibt sein persönliches Geheimnis. Götz Georges Stimme klingt in "Die Fastnachtsbeichte" schon genauso vertraut wie mehr als 20 Jahre später in seiner bekanntesten Rolle als "Tatort" - Kommissar Schimanski - zwar ruhiger, scheinbar braver, aber selbstbestimmt und konsequent. Wie im erwähnten "Kirmes" (1960) spielte George auch hier einen jungen Soldaten, dessen äußerliche Angepasstheit nicht über seinen freien Willen hinwegtäuschen sollte. In "Kirmes" desertiert er kurz vor dem Kriegsende des 2.Weltkriegs, in "Die Fastnachtsbeichte" geht er 1913 - der 1.Weltkrieg steht kurz bevor - eine Beziehung mit der Prostituierten Rosa (Ursula Heyer) ein. Sein Verstoß gegen die bürgerlichen Regeln erwächst nicht aus Widerstandsgeist oder intellektueller Überzeugung. Er reagiert einzig aus dem Bauch heraus und steht in seiner monolithischen Ausstrahlung in Opposition zu einem Bürgertum, dessen Verlogenheit sich hinter einer Fassade aus Anstand und Moral versteckt. 

„Die lasche, auf Seelen- und Kostümpomp bedachte Regie des Hollywood-Spätheimkehrers William (Wilhelm) Dieterle vermochte der literarischen Vorlage nicht mehr abzugewinnen als matten Kino-Schwulst.“(„Der Spiegel“, 1960)

Wurde dem damals 22jährigen George in seinem schon siebten Kinofilm insgesamt eine gute Leistung bescheinigt – wenn auch mit Respektabstand zu den erfahrenen Darstellern Hans Söhnker, Friedrich Domin und Berta Drews, Götz Georges leibliche Mutter – kam die Inszenierung des Films schlechter weg. "Die Fastnachtsbeichte" wurde nicht nur Dieterles letzter deutschsprachiger Kinofilm, bevor er sich fast ausschließlich dem Fernsehen zuwandte, vermutet wurde zudem, dass ihn nach dem Misserfolg des Abenteuerfilm-Zweiteilers „Die Herrin der Welt“ (1960) vor allem wirtschaftliche Gründe bewogen, die Regie bei der Zuckmayer-Verfilmung zu übernehmen. „Zuckmayer“ ist auch das entscheidende Stichwort, denn Film-Umsetzungen zeitgenössischer Literatur hatten grundsätzlich einen schweren Stand beim Feuilleton – mit Vorliebe wurde die gesellschaftskritische Relevanz an der Vorlage gemessen.

Dabei hatte Carl Zuckmayer seinen Willen zur Verfilmung der im Jahr zuvor herausgegebenen Novelle deutlich zu verstehen gegeben und Drehbuchautor Kurt Heuser hatte sich eng an dessen Text gehalten. Es fehlen im Film nur wenige Figuren und Dialoge, entscheidend für die Intention der Story waren diese nicht. Das gilt auch für den Beginn, der sich wenig Mühe gibt, die Charaktere und ihre Motive näher zu erklären. Eine von Carl Zuckmayer gewollte Nebeneinanderstellung paralleler Geschehnisse, die in seiner Novelle dank der ausführlichen Beschreibung des Mainzer Lokalkolorits während der alljährlichen Fastnachtsfeierlichkeiten zwar weniger abrupt wirken als im Film, trotzdem aber den Einstieg erschweren. Der tödliche Zusammenbruch eines unbekannten Soldaten im Beichtstuhl des Dom-Probst (Friedrich Domin), die Ankunft von Viola (Gitty Djamal), einer jungen Italienerin, im Haus ihres wohlhabenden Onkels Panezza (Hans Söhnker) in Mainz oder die allgemeine Aufregung um dessen bevorstehenden Auftritt als Karnevalsprinz an der Seite der viel jüngeren Katharina (Helga Tölle) scheinen in keinem Zusammenhang zu stehen.

Die Einführung weiterer Haupt- und Nebenfiguren steigert noch die Verwirrung. Warum reagierte Viola so merkwürdig auf ihren Cousin Jeanmarie (Christian Wolff), der die hübsche junge Frau, die er seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte, mehr als freundlich begrüßte? – Welche Rolle spielt die ältliche Frau Bäumler (Bertha Drews) in Panezzas Haushalt und warum hasst sie ihren Sohn Clemens (Götz George)? – Dieser gerät zunehmend in den Strudel der Ereignisse. Madame Guttier (Hilde Hildebrandt) findet ihn betrunken in den Armen einer jungen Prostituierten. Als sie versucht ihn aufzuwecken, bezeichnet er sich als tot und schmeißt mit Geld nur so um sich. Auch eine Waffe fällt aus seiner Rocktasche, weshalb die Bordellbesitzerin die Polizei ruft. Clemens wird von der Polizei festgenommen und als es sich herausstellt, dass es sich bei dem Toten um seinen Bruder Ferdinand (Rainer Brandt) handelt, gerät er in Mordverdacht. Seine eigene Mutter beschuldigt ihn lauthals, ihr den geliebten Sohn aus Neid und Eifersucht genommen zu haben.

Diese Ausgangssituation und die langsame Aufklärung der tatsächlichen Zusammenhänge mithilfe von Rückblenden brachten der „Fastnachtsbeichte“ den Ruf einer Kriminalgeschichte ein. Für Zuckmayer nur der Rahmen eines doppelbödigen Spiels. Der Karneval mit seinen Maskeraden und Momenten moralischer Freiheit bildete den idealen Hintergrund für die Diskrepanz von Schein und Sein, ließ die heimlichen Sehnsüchte der Protagonisten ebenso erkennen, wie ihre Unfähigkeit sie auszuleben. Dass Selbstbetrug und Vortäuschung äußerlicher Moral tödliche Abläufe in Gang setzen, gehört heute zum Standard-Repertoire des Kriminalfilms. Die wenig spektakuläre Aufklärung des Mordes interessierte den Autor in diesem Zusammenhang aber nur am Rande, mehr lag sein Augenmerk auf der brüchigen Fassade einer bürgerlichen Gesellschaft am Vorabend des 1. Weltkriegs. Und das er seine 1959 herausgebrachte Novelle in diese Zeit versetzte lässt sich nur als Kommentar auf eine Gegenwart verstehen, deren prinzipiellen Mechanismen sich nicht verändert hatten.

Auch William Dieterles Film ist diese Nähe zur Gegenwart von 1960 anzumerken. Vielleicht nicht beabsichtigt, aber dank der zeitgenössischen Stadtbilder von Mainz und der Integrierung dokumentarischer Aufnahmen vom Rosenmontagszug der 50er Jahre, erzeugt „Die Fastnachtsbeichte“ trotz seiner authentischen Ausstattung nicht den Eindruck einer weit zurückliegenden, abgeschlossenen Historie – möglicherweise fehlte dem „Spiegel“-Kritiker, der den Film als „Kostümpomp“ verurteilte, noch der notwendige zeitliche Abstand für diese Sichtweise. Trotzdem ist die Kritik an der mangelnden Relevanz der Verfilmung nicht ungerechtfertigt. Bis auf Berta Drews als hasserfüllte Mutter loteten die Charaktere nur selten die menschlichen Abgründe aus. Hans Söhnker in der Rolle des Familienoberhaupts Panezza und die schöne Viola blieben menschlich nachvollziehbar, Jeanmaries im Film abgeschwächte Position zwischen zwei Frauen entsprach Christian Wolffs damaligem Typus als anständiger Vertreter der deutschen Nachkriegsjugend, Friedrich Domin gab einen so souveränen, wie toleranten Probst und Götz George wurde zum Sympathieträger. 

Doch diese Figuren-Konstellation täuscht über die Brisanz hinweg, die ihr Verhalten Ende der 50er Jahre noch auslöste. Auch Zuckmayers Theaterstücke und Erzählungen waren in ihrer Gesellschaftskritik eher unterschwellig und verdankten ihre Popularität nicht zuletzt ihrem hohen Unterhaltungswert. Den besitzt auch Dieterles Verfilmung, die nach ihrem sperrigen Beginn zunehmend zu fesseln vermag. Eine generelle Kritik an der Bürgerschicht ließ sich daraus zwar nur schwer herauszufiltern, aber die Sympathien gehörten eindeutig den gegen die Norm verstoßenden Protagonisten. 

"Die Fastnachtsbeichte" Deutschland 1960, Regie: William Dieterle, Drehbuch: Kurt Heuser, Carl Zuckmayer (Novelle), Darsteller : Hans Söhnker, Gitty Djamal, Götz George, Christian Wolff, Berta Drews, Grit Boettcher, Friedrich Domin, Rainer Brandt, Hilde Hildebrandt, Wolfgang Völz, Harry Engel, Laufzeit : 96 Minuten

Das Haus in Montevideo (1951) Curt Goetz, Valerie von Martens

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Inhalt: Für den Lehrer Professor Traugott Hermann Nägler (Curt Goetz) ist das Leben eine einzige Schulstunde. Seine zwölf Kinder wie auch seine Ehefrau Marianne (Valerie von Martens) müssen zu jeder Zeit seinen prüfenden Fragen Rede und Antwort stehen. Belehrungen, Zurechtweisungen und Bestrafungen sind an der Tagesordnung. Selbstverständlich sieht er sich als moralische Instanz, weswegen er vor vielen Jahren seine jüngere Schwester, als diese im Alter von 18 Jahren unverheiratet schwanger wurde, aus der Familie verstieß.

Als ihm der Pastor (Albert Florath) vom Tod seiner Schwester berichtet, berührt ihn das zuerst nur wenig. Bis er erfährt, dass sie ein großes Erbe hinterlässt. Um dieses antreten zu können, muss er zusammen mit seiner ältesten Tochter Atlanta (Ruth Niehaus) nach Montevideo fahren. Erst weigert er sich und zerreißt die beiliegenden Schiffskarten, aber dann nimmt die Neugier auf das mögliche Erbe zu und er reist mit Tochter und dem Pastor nach Uruguay… 




Schon 2007 brachte die "Edition Filmmuseum" die vier unter Curt Goetz Regie erschienenen Kinofilme auf Basis seiner Theaterstücke heraus und bis heute zählen sie zurecht zu den Bestsellern der insgesamt sehr empfehlenswerten Filmmuseum-Reihe.

Goetz' Filme (und die dazu gehörigen Dramen) beeinflussten entscheidend meine Beziehung zum deutschen Kino. In meiner Erinnerung liefen sie in den 70er Jahren wiederholt im deutschen Fernsehen, denn sie hinterließen einen so starken Eindruck bei mir, dass ich mich bei ihrer Wiederentdeckung 30 Jahre später an beinahe jedes Detail erinnern konnte. Dagegen erfuhr ich erst spät von der erneuten Verfilmung der Goetz-Stücke in den 60er Jahren mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle. Aus heutiger Vermarktungssicht wirken sie präsenter, aber - ganz subjektiv betrachtet - spielten sie, obwohl moderner und in Farbe gedreht, im damaligen Fernsehprogramm nur eine untergeordnete Rolle (Der grüne Link führt zur Bestellseite der Curt Goetz Filme). 





Professor Traugott Hermann Nägler (Curt Goetz), Lehrer am ortsansässigen Gymnasium, ist eine Horror-Figur. Ein autoritärer Patriarch, der seine zwölf Kinder wie Soldaten in Reihe aufstellen lässt und auch nicht davor zurückschreckt, sie körperlich zu züchtigen. Selbstverständlich erwartet er Dankbarkeit dafür. Als selbstgewählte moralische und geistige Instanz sieht Nägler es als seine naturgegebene Aufgabe an, seine Umgebung zu korrigieren und zu belehren. Das gilt auch für Ehefrau Marianne (Valerie von Martens), die er für etwas beschränkt hält - wie im Grunde genommen jeden anderen auch. Es überrascht entsprechend wenig, dass er vor Jahren dafür sorgte, dass seine Schwester von der Familie verstoßen wurde, weil sie als 18jährige unehelich schwanger wurde. Regelmäßig wird sie deshalb von ihm als warnendes Beispiel hervorgehoben.

Die große Kunst des Curt Goetz - Dramaturg, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion - lag darin, dieser Figur Sympathien zu verleihen. Ohne die genannten Charaktereigenschaften abzuschwächen, ließ er auch die inneren Befindlichkeiten des Traugott Hermann Nägler durchscheinen. Seine Liebe für Frau und Kinder, seine Sorgen auf Grund ständiger Geldknappheit und seine nachrangige gesellschaftliche Stellung, unter der er leidet. Kombiniert mit seiner humorvollen, geistesgegenwärtigen Art, lassen sich seine Tiraden nicht nur besser ertragen, sondern tragen entscheidend zum Unterhaltungswert des Films bei.

Wichtig für die positive Positionierung dieser Rolle ist auch das Verhalten seiner Umgebung. Der zahlreiche Nachwuchs lässt sich durch die Autorität des Vaters nicht abschrecken und bleibt kindgerecht frech. Ehefrau Marianne weiß ihn zu nehmen und wirkt in ihrer Souveränität reifer und erwachsener als ihr Mann. Die reale Gleichberechtigung des Künstlerehepaars Götz / von Martens, das hier auch gemeinsam Regie führte, blieb in allen ihren Filmen trotz der jeweiligen Rollen-Charakteristik immer spürbar. Nicht zuletzt trug der von Albert Florath gespielte Priester zur Demontage des mit ihm befreundeten Traugott Nägler bei. Anders als der Gymnasiallehrer steht er leiblichen Genüssen und menschlichen Schwächen sehr aufgeschlossen gegenüber. Nicht nur, dass er einem guten Essen kaum widerstehen kann und einen Blick für schöne Frauen hat, er zeigt auch Verständnis für Traugotts Schwester und verurteilt die moralische Ächtung des selbst ernannten Tugendwächters.

Ähnlich zielgerichtet konstruiert ist der zweite Handlungsort Montevideo, dessen Exotik in größtmöglichem Gegensatz zur kleinstädtischen Heimat des Protagonisten stehen sollte. In Uruguay angekommen scheinen sich sämtliche Vorurteile gegenüber der südamerikanischen Lebensart zu bestätigen. Empfangen werden die deutschen Gäste von der so mondänen, wie erotischen Hausdame Madame de la Rocco (Lia Eibenschütz) – allein ihr Name hätte schon genügt – deren Führung durch die fantasievoll geschmückte, großzügig geschnittene Villa, in deren Zimmern sich eine Vielzahl junger hübscher Frauen tummeln, nur einen Schluss zulässt, auf welche Weise Traugotts verstorbene Schwester ihr vieles Geld verdient haben kann.

An Hand der Originalaufnahmen in Uruguay ist zu erkennen, dass der Film in der damaligen Gegenwart spielte. Wenige Jahre zuvor, 1945, erlebte das Theaterstück, das auf Curt Goetz‘ Einakter „Die tote Tante und andere Begebenheiten“ von 1924 basierte, seine Premiere am Broadway. Trotzdem finden weder Krieg, noch Nationalsozialismus Erwähnung in dem Vier-Akter, obwohl die Vergangenheit darin eine zentrale Rolle spielt. Curt Goetz deshalb Verharmlosung vorzuwerfen, wäre falsch. Sein Augenmerk galt den menschlichen Verhaltensmustern, besonders der verlogenen bürgerlichen Doppelmoral, der er mit einem klaren humanistischen Standpunkt gegenüber trat. Das Spiel mit den Vorurteilen, besonders hinsichtlich der Geschlechterrollen, war Bestandteil aller seiner Stücke – eine Sichtweise, die sich so generell, wie zeitlos verstand.

In „Das Haus in Montevideo“ führte Goetz den Betrachter mit südamerikanischem Flair und doppeldeutigen Dialogen aufs Glatteis der Vorurteile. Letztlich nur ein kleines Puzzlestück in der unterschwelligen Beeinflussung eines Publikums, das er sowohl mit seinen Theateraufführungen, als auch mit den drei Verfilmungen in den frühen 50er Jahren begeistern konnte. Angesichts der damals vorherrschenden Moralvorstellungen ein wahres Kunststück, dass ihm nur gelang, weil die von ihm verkörperte männliche Hauptfigur zur Identifikation einlud. Ein autoritärer Despot hätte nur abstoßend gewirkt, aber kombiniert mit Herz und Verstand bot sich Traugott Nägler als Stellvertreter für die damals vorherrschende Haltung an, zumal sie in eine so witzige, wie zeitgemäße Familiengeschichte eingebettet wurde.

Aus heutiger Sicht mag vieles daran altmodisch wirken, aber die grundsätzlichen Mechanismen sind geblieben. Das gilt auch für den inneren Konflikt, in den der Familienvater gerät, als seine scheinbar ehernen Standpunkte zu wanken beginnen. Dass er daraus die Konsequenz der Einsicht und Veränderung zog, ist bis heute unüblich und hat nichts von seinem Vorbildcharakter verloren. 

"Das Haus in MontevideoDeutschland 1951, Regie: Curt Goetz, Valerie von Martens, Drehbuch: Curt Goetz, Hans DomnickDarsteller : Curt Goetz, Valerie Von Martens, Albert Florath, Ruth Niehaus, Lea EibenschützLaufzeit : 88 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Curt Goetz: 

"Napoleon ist an allem schuld" (1938)

Von der Liebe besiegt (1956) Luis Trenker

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Inhalt: Der Ingenieur Mario Clar (Wolfgang Preiss) wird zwar aus der Haft entlassen, aber nur bedingt unter der Auflage, nicht das Land zu verlassen. Nach wie vor gilt er als Hauptbeschuldigter an dem Einsturz einer Eisenbahnbrücke, bei dem in den Schweizer Bergen fast 40 Menschen starben. Clar bewahrt vor seiner 12jährigen Tochter, die ihn im Gerichtsgebäude freudig abholt, zwar Ruhe, aber seine Entscheidung steht schon fest. Er schreibt ihr, die bei seiner geschiedenen Frau (Marina Ried) lebt, noch einen Abschiedsbrief und begibt sich in die Berge, wo er sich in die Tiefe stürzen will.

Sein Plan misslingt, weil er einen Hirten durch herunterfallende Felsbrocken verletzt, die sich bei seinem hastigen Aufstieg lösen. Unter größter Anstrengung gelingt es ihm, den alten Mann bis zum Arzt (Armin Schweizer) des kleinen Bergdorfs zu tragen, wo er eine Nacht in einem Hotel verbracht hatte. Er selbst fällt vor Erschöpfung in einen ohnmachtsartigen Schlaf. Als er erwacht, sieht er nicht nur in das Gesicht der Arzttochter (Marianne Hold), die ihn gepflegt hatte, auch seine Ex-Frau und sein Compagnon Leo Seduc (Fritz Tillmann) stehen bald vorwurfsvoll in seinem Zimmer. 


Luis Trenker als launiger Gastgeber mit Marianne Hold und Wolfgang Preiss

"Von der Liebe besiegt" kam in der Hochphase des Heimatfilms in die deutschen Kinos, steht aber für den Beginn und das Ende der Film-Karrieren zweier prägender Genre-Repräsentanten. Letztmals führte Luis Trenker hier Regie nach eigenem Drehbuch, gleichzeitig wurde es sein vorletzter von vier Langfilmen mit der von ihm 1950 ("Barriera a Settentrione" (Duell in den Bergen)) entdeckten Marianne Hold. Diese war zwar schon mehrfach in tragenden Rollen besetzt worden, aber erst der wenige Monate zuvor herausgekommene "Die Fischerin vom Bodensee" (1956) ließ sie zum großen Heimatfilm-Star der späten 50er Jahre aufsteigen. Zudem agierte der damals 64jährige Trenker hier das letzte Mal selbst auf der Kinoleinwand. Ganz klassisch als Bergführer, der ein Rettungskommando anführt und - wie seit den 20er Jahren im Berg-Film gewohnt - persönlich in die Felswand steigt (siehe "Im Zenit des Wirtschaftswunders - der Heimatfilm der Jahre 1955 bis 1957"). 

Trotzdem blieb seine Rolle austauschbar und ohne Relevanz für die eigentliche Handlung. Er gefällt als launiger Hausherr einer hochgelegenen Berghütte und am Ende als Retter des verunglückten Mario Clar (Wolfgang Preiss), aber den Job hätte auch ein Anderer übernehmen können. Mit den Ereignissen, die erst zu den dramatischen Konsequenzen im Hochgebirge führten, hatte Trenkers Figur nichts zu tun. Das galt mit Abstrichen auch für Marianne Hold als Arzttochter, auch wenn der Titel „Von der Liebe besiegt“ etwas anderes vermitteln sollte. Entstanden war das Drehbuch nach Trenkers Roman „Schicksal am Matterhorn“ und es spricht viel dafür, dass der Film auch ursprünglich unter diesem Namen herauskommen sollte. Offensichtlich wollten die Macher die wachsende Popularität der Hauptdarstellerin nutzen, obwohl ihre Rolle dem Klischee widersprach.

Schon zu Beginn des Films ließ Trenker keinen Zweifel daran, dass Angela Gassard (Marianne Hold) nicht zum Genre-gewohnten Typus der Dorfschönheit gehörte, die nur auf den richtigen Kerl wartet. Ihr ganzes Auftreten als Tochter des ortansässigen Arztes (Armin Schweizer) zeugt von Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein. Der kernige Bergführer Beni Kronig (Robert Freitag) schenkt ihr zwar aus Italien geschmuggelte Schuhe, aber Chancen hat er bei ihr keine. Da muss schon ein Mann wie der Ingenieur Mario Clar auftauchen – älter, gebildet, weltgewandt – um sie zu begeistern. Doch nicht er bemüht sich um sie, sondern sie kümmert sich um den psychisch schwer angeschlagenen Mann. Zwar den Anstand wahrend, ist sie es, die ihm mit ihrer Liebeserklärung wieder Lebensmut gibt.

Die Figur des Ingenieurs war im Heimatfilm nicht ungewöhnlich, denn der Kontrast Stadt/Land ließ sich in der Konfrontation eines rein nach rationellen Gesichtspunkten vorgehenden Planers mit einer traditionell lebenden Bevölkerung dramaturgisch zuspitzen. Das Ergebnis war zwiespältig. Einerseits wurde die heile Welt der Berge idealisiert, andererseits galten Talsperren, Brücken- und Tunnelbauwerke Mitte der 50er Jahre als Zeichen von Fortschritt und Schaffenskraft. Dieser Disput setzte sich auch in der Charakterisierung des Ingenieurs fort, der je nach Gesichtspunkt als Eindringling oder Heilsbringer angesehen wurde. Für eine positive Ausrichtung half die Verwurzelung in der Heimat. Der junge Mann, der nach Jahren der Ausbildung als Fachmann zurückkehrt („Waldrausch“ (1955)), verband Tradition und Zukunft in idealer Weise.

Leo Seduc (Fritz Tillmann) und seine Frau (Marina Ried) mit dem Abschiedbrief

Auch in „Von der Liebe besiegt“ ist dieser Konflikt gegenwärtig, fand aber auf einer anderen Ebene statt. Für Luis Trenker, der erst kurz zuvor seine Dokumentation „Gold aus Gletschern“ (1956) über den Bau des Wasserkraftwerks Kaprun herausgebracht hatte, ist der Ingenieur eine integre Figur. Auch wenn Mario Clar unter Vorbehalt aus dem Gefängnis entlassen wurde, weil er im Verdacht steht, den Einsturz einer Eisenbahnbrücke in den Bergen verursacht zu haben, bei dem viele Menschen starben. Die Gefahren erkannte Trenker dagegen in den Geschäftemachern, deren Streben nicht dem technischen Fortschritt galt, sondern allein ihrer persönlichen Bereicherung. Fritz Tillmann spielte den so verschlagenen wie gewieften Bauunternehmer Leo Seduc, der minderwertige Baustoffe bei dem Brückenbau einsetzte, um seine hohen finanziellen Bedürfnisse befriedigen zu können. Trotzdem sitzen ihm die Gläubiger weiterhin im Nacken, weshalb er einen perfiden Plan ersinnt, der den Tod des Ingenieurs mit einbezieht.

Die Dramatik entwickelt sich in Trenkers Film aus dem Spannungsfeld von Idee und Kapital, der Gegenüberstellung von untadeligem Forschungsgeist mit rücksichtslosem Profitdenken. Dass es sich bei dem Bauunternehmer und dem Ingenieur um Partner handelt, Leo Seduc zudem die Ex-Frau (Marina Ried) seines Compagnons geheiratet hatte und damit auch eine Art Stiefvater für dessen 12jährige Tochter wurde, verlieh der Handlung eine Komplexität, die sich auch in der ungewöhnlichen Charakterisierung des männlichen Helden widerspiegelte. Wolfgang Preiss strahlte in seinem Spiel zwar Ernsthaftigkeit und Anstand aus, aber als geschiedener Mann und Vater, der sich in die Berge begibt, um dort Suizid zu begehen – er gibt sich die Schuld an dem Tod der Verunglückten – war er Mitte der 50er Jahre ein denkbar ungeeigneter Kandidat für die Rolle des Liebhabers. Und bedurfte eines ebenso untypischen weiblichen Gegenparts.

Trotz der Berührung damaliger Tabus und einer nicht nur für den Heimatfilm außergewöhnlichen Drehbuch-Anlage, ist Trenkers Spätwerk in Vergessenheit geraten und zählt auch nicht zu Marianne Holds populären Filmen. Erklärbar wird das durch die fehlende Konsequenz, die Ausgangssituation aufrecht zu erhalten. Ist die Figur des Bauunternehmers zuerst noch differenziert gestaltet, wird er zum Ende hin zum panisch reagierenden Hasardeur. Es ist kaum noch vorstellbar, wie dieser Mann der langjährige Partner des Ingenieurs sein konnte und als Ehemann seiner Ex-Frau in Frage kam. Parallel zu dieser in die negative Einseitigkeit abdriftenden Charakterisierung wurde die männliche Hauptrolle aufgewertet. Dessen Selbstmord-Gedanken werden zunehmend in Richtung finanzielle Verantwortung für die Tochter gewandelt, die nach seinem vorgetäuschten Unfall-Tod eine hohe Versicherungssumme erhalten soll. Tatsächlich hat es Leo Seduc auf das Geld abgesehen.

Mehr noch widersprach das abschließende Kapitel des Films den zuvor aufgebauten Qualitäten, denn er gab dem Film eine Wendung in typische Heimatfilm-Gefilde. Mit einer mehr als dürftigen Begründung schickte er den Ingenieur und den bisher nur als Nebenfigur aufgefallenen Bergführer auf die Berggipfel, wo es zum klassischen Drama im Kampf um das weibliche Objekt kommt. Passend zu ihrer passiven Rolle trug Marianne Hold plötzlich Tracht, nachdem sie zuvor pragmatisch-modern gekleidet war. Geholfen hat es dem Film nicht, dessen aufgesetzt wirkendes Ende die Erwartungshaltung an einen Heimatfilm nicht mehr befriedigen konnte. Trenkers „Von der Liebe besiegt“ kam zwar nicht ohne Klischees aus, verband in seiner Anlage aber Elemente der Bergromantik mit den sozialen Veränderungen der 50er Jahre. Die Anspielungen auf Missstände der „Wirtschaftswunder“-Zeit, die Veränderungen im Familienbild sowie die selbstbewusst gestaltete Frauenrolle sind überraschend modern für das Genre und laden zu einer Wiederentdeckung ein. 

"Von der Liebe besiegtDeutschland 1956, Regie: Luis Trenker, Drehbuch: Kurt Heuser, Luis Trenker (Roman), Darsteller : Marianne Hold, Wolfgang Preiss, Fritz Tillmann, Robert Freitag, Marina Ried, Luis Trenker, Laufzeit : 92 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Luis Trenker: 

"Der Berg ruft!" (1938)

Die zornigen jungen Männer 1960 Wolf Rilla

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Inhalt: Während auf St.Pauli ein Pfarrer öffentlich vor einer großen Menschenmenge gegen die Verrohung der bürgerlichen Sitten anredet, befindet sich Fred Ploetz (Hansjörg Felmy), erfolgreicher Jung-Unternehmer einer Hamburger Werbe-Agentur, voll in seinem Element. Umgeben von hübschen Models feilt er an seiner nächsten Bilder-Strecke. Doch diesmal fällt ihm eine junge Frau ins Auge, die sich ihm nicht wie üblich an den Hals schmeißt. Die hübsche Studentin Kirsten (Gisela Tantau) ist so selbstbewusst wie anständig, eine Mischung die Fred ernsthaft zu interessieren beginnt. Er bemüht sich um sie und verliebt sich nach langer Zeit erstmals wieder, nachdem er zuvor ständig wechselnde weibliche Bekanntschaften bevorzugte.

Seine neue Liebe hält ihn aber nicht davon ab, einen wenig seriösen Auftrag von einem seiner wichtigsten Kunden, dem Unternehmer Pflueger (Hans Nielsen), anzunehmen. Er soll dafür sorgen, dass ein Oberarzt, dessen Forschungsarbeit Pflueger aus geschäftlichen Gründen ein Dorn im Auge ist, die Reputation verliert. Ploetz plant schon seine Vorgehensweise, aber als er feststellt, dass es sich bei dem Arzt Dr.Schneider (Horst Frank) um einen alten Kriegskameraden handelt, nimmt er Abstand von seinem Vorhaben. Doch Pflueger hat auch die attraktive Irene (Dawn Addams) auf Dr.Schneider angesetzt.

Es dauert etwas, bis Fred (Hansjörg Felmy) zornig wird
"The angry young men" ist ein stehender Begriff für eine gegen ihre Väter-Generation aufbegehrende männliche Jugend, im 50er Jahre Hollywood-Kino personifiziert durch James Dean und Marlon Brando, in Deutschland in abgeschwächter Form durch Horst Buchholz ("Die Halbstarken" (1956)). Bei den "zornigen jungen Männern" in Wolf Rillas Film von 1960 handelte es sich dagegen um Enddreißiger, beruflich schon situiert, aber noch ohne familiäre Bindungen. Geschuldet war diese Situation der besonderen Lage nach dem Ende des Krieges. Wiederaufbau und Wirtschaftswunder hatten zwar eine sich wandelnde Sozialisation zur Folge, die moralische Standards und Geschlechterrollen zu verändern begann, insgesamt war die bundesdeutsche Gesellschaft 1960 aber noch sehr konservativ. Allein Männer trafen geschäftliche Entscheidungen und um bei der älteren Generation ernst genommen zu werden, bedurfte es eines angemessenen gesellschaftlichen Status.

Anwalt Faber (Joachim Fuchsberger) verweigert die Glorifizierung der Armee
Stellvertretend stehen die drei Hauptfiguren für prägende Berufsgruppen der jungen Republik: der Leiter einer Werbe-Agentur, der Oberarzt und der Rechtsanwalt. Gespielt wurden sie von drei populären Darstellern - Hansjörg Felmy, Horst Frank und Joachim Fuchsberger - die real jünger waren als die von ihnen verkörperten Männer des Jahrgangs 1922, deren Freundschaft noch auf ihrer gemeinsamen Zeit als Soldaten während des Kriegs fußte. Nur Joachim Fuchsberger, Jahrgang 1927, wurde 1943 noch eingezogen, Felmy und Frank waren dafür zu jung. Deutlich wird an dieser Konstellation nicht nur, wie bindend diese gemeinsame Erfahrung mehr als ein Jahrzehnt später noch war, sondern dass sich daraus ein moralischer Anspruch ableitete. Als Fred Ploetz (Hansjörg Felmy) in dem Arzt, gegen den er im Auftrag des Großindustriellen Pflueger (Hans Nielsen) integrieren soll, seinen alten Kameraden Gerd Schneider (Horst Frank) wieder erkennt, nimmt er Abstand von seinem Vorhaben. Zuvor ausschließlich an Geld und Vergnügen interessiert, beginnt Ploetz umzudenken. Die gemeinsame Soldatenzeit wird zum Ausgangspunkt seiner Läuterung und zur Auflehnung gegen die Machenschaften des rücksichtlosen Geschäftemachers.

Partytime bei Fred...
Fred Ploetz steht nicht nur im Mittelpunkt der Handlung, sondern ist die einzige Figur, der eine Entwicklung zugestanden wird, auch wenn der Anlass dafür aus heutiger Sicht konstruiert wirkt. An ihm, dem Werbefachmann - ein Berufsbild, das erst durch die Wirtschaftswunderjahre und dem damit aufkommenden Konsum populär wurde - arbeitete sich der moralisch aufklärerische Gestus des Films ab. Ploetz ist ein Hallodri, der seine Werbe-Firma nicht nur für zahlreiche Frauenbekanntschaften nutzt, sondern sich Jedem andient, der ihn ordentlich bezahlt. Hemmungen kennt er nicht, was sich auch in seinen Partys zeigt, die er großzügig mit viel Alkohol und Sex veranstaltet. Den Auftrag seines Großkunden Pflueger, die Forschungsarbeit des Oberarztes verschwinden zu lassen, nimmt er sofort an. Darin hatte dieser nachgewiesen, dass die von Pfluegers Firma in Lebensmitteln verwendeten chemischen Zusatzstoffe krebsverursachend sind. Das hätte Einfluss auf ein neues, lückenhaftes Lebensmittelgesetz, dass der Bundestag verabschieden will. 

"Die Handlung und die Figuren des Films sind frei erfunden, sollten dennoch Ähnlichkeiten mit bestehenden Zuständen erkennbar sein, so sind diese wohl unvermeidlich" (zu Beginn des Films eingeblendete Texttafel)

...und dessen Erkenntnisse im Krankenhaus dank Dr.Schneider
Der gebürtige Berliner und englische Staatsbürger Wolf Rilla, der als Kind mit seinen Eltern 1934 aus Deutschland emigriert war, und im Gegensatz zu seinem Vater, dem Schauspieler Walter Rilla, nach dem Krieg nicht mehr zurückkehrte, schuf mit „Die zornigen jungen Männer“ seinen einzigen deutschen Film nach einem Drehbuch des Schriftstellers Wolf Berthold. Dieser wurde in den 50er Jahren bekannt für seine in Illustrierten veröffentlichten „Tatsachenromane“, die in ihrer Mischung aus Kolportage, Unterhaltung und Gesellschaftskritik den Nerv der Zeit trafen und heute ein authentisches Bild des damaligen Lebensgefühls vermitteln können. Nach seinen Vorlagen waren zuvor „Nachts, wenn der Teufel kam“ (1957) über einen Serienmörder während der Zeit des Nationalsozialismus und der Anti-Kriegsfilm „Kriegsgericht“ (1958) entstanden, er entwarf aber auch ein zeitgenössisches Bild der Bundesrepublik in „Madeleine Tel.13 62 11“ (1958) und "Am Tag als der Regen kam" (1959), deren Schwerpunkt auf den sozialen Veränderungen nach dem Krieg lag.

Dr.Schneider (Horst Frank) erliegt der attraktiven Irene (Dawn Addams)...
Deren Mischung aus Gesellschaftskritik und moralischem Zeigefinger prägte auch „Die zornigen jungen Männer“. Die ernsthafte Thematik der Lebenmittelverunreinigung wird überdeckt von der Schilderung einer vergnügungssüchtigen Jugend. Die Offenlegung der Doppel-Moral des Staates, der eine Frau wegen „Beihilfe zur Unzucht“ verurteilen will, weil sie den Verlobten ihrer Untermieterin vor deren Hochzeit in ihrer Wohnung übernachten ließ, gleichzeitig aber gerne die Steuereinnahmen aus dem horizontalen Gewerbe einnimmt, wird kontrastiert von einem rückständigen Frauenbild. Diese ambivalente Haltung zeigte sich auch in den Charakterisierungen der Protagonisten. Horst Frank wird in seiner Rolle als Oberarzt zwar eine Schwäche für das weibliche Geschlecht zugestanden, die ihm beinahe zum Verhängnis wird, aber in seiner beruflichen Position bleibt er integer und standfest. Joachim Fuchsberger ist als Anwalt ganz charakterfester Profi. Ihre traditionellen Berufe werden nicht in Frage gestellt, das moderne Bild des Werbe-Grafikers, der sein Geld vor allem mit Fotos von leicht bekleideten Frauen zu verdienen scheint, dagegen schon.

...wie von Generaldirektor Pflueger (Hans Nielsen) beabsichtigt
Dass Hansjörg Felmy in seiner Rolle nicht vollständig demontiert wird, verdankt er dem Drehbuch-Trick, seine Verfehlungen in die Vergangenheit zu verlegen. Schon in einer der ersten Szenen des Films begegnet er der hübschen Studentin Kirsten (Gisela Tantau) und verliebt sich nach langer Zeit erstmals wieder, nachdem er in den Jahren zuvor nur wechselnde Affären hatte. Er beginnt eine ernsthafte Beziehung mit Kirsten und entdeckt sein Gewissen wieder. Trotzdem kommt er nicht ganz ungeschoren davon – so viel Strafe musste sein. Auch Hans Nielsen als gewissenloser Unternehmer Pflueger muss sich am Ende eine Niederlage eingestehen, aber der Film wagte nicht, die Rolle des Kapitalisten ernsthaft in Frage zu stellen. Als er erkennt, dass er diesmal an einen stärkeren Gegner gekommen ist, bewahrt er Contenance und zieht die Konsequenzen. Dass er bei seinem nächsten geschäftlichen Vorhaben mit mehr Skrupel vorgehen wird, ist deshalb nicht zu erwarten.

Die eigentlichen Verlierer in „Die zornigen jungen Männer“ sind die Frauen, genauer die beiden gegensätzlich gezeichneten weiblichen Protagonistinnen. Die englische Darstellerin Dawn Addams, im deutschen Film auf die Rolle der „Femme fatale“ festgelegt ("Die feuerrote Baronesse" (1959)), prostituiert sich im Auftrag Pfluegers, um den Oberarzt Schneider in eine verfängliche Situation zu bringen. Nach einer gemeinsamen Nacht klagt sie ihn fälschlich der Vergewaltigung an. Aus der Klemme hilft ihm dessen cooler Kamerad, Anwalt Dr.Jürgen Faber (Joachim Fuchsberger), der den Spieß einfach umdreht. Er macht sich an die attraktive Irene (Dawn Addams) heran, die sich in ihn verliebt und ihn mit zu sich nach Hause nimmt. Bevor sie im Bett landen, klärt Faber sie über seine wahren Absichten auf und fordert sie auf, ihre Anklage wieder zurückzuziehen, wenn sie verhindern will, dass ihre Liason bekannt wird. Sie hat keine Wahl, denn als Frau wäre sie diskreditiert und vor Gericht unglaubwürdig.

Moralpredigt
Die Studentin Kirsten ist das genaue Gegenteil von Irene, ein anständiges Mädchen. Obwohl Fred es ernst mit ihr meint, begeht er in einer Stress-Situation bei einer seiner Partys den Fehler, sie wegen ihrer Bravheit zu provozieren. Sie solle sich ihre Komplexe abreagieren und mit ein paar Anderen schlafen – einen Vorschlag, den sie noch in der gleichen Nacht umsetzt. Fred reagiert geschockt, ist sich seiner Schuld aber bewusst und macht ihr keine Vorwürfe. Doch das hilft Kirsten nicht mehr, die gegen die moralischen Prämissen verstoßen hatte. Mitten im Verkehr steigt sie aus seinem Auto und verschwindet verzweifelt in der Menge. Die Botschaft an die weiblichen Betrachter war eindeutig. Schon zu Beginn des Films spricht ein auf St.Pauli gegen die Verrohung der Sitten öffentlich auftretender Pfarrer direkt die Frauen an, die mit 20 nur an ihr Vergnügen denken, mit 30 aber ohne Freunde alleine in einer Dachkammer hausen werden. 

„Ein Film voller Pseudoproblematik, der seine Illustriertenherkunft nicht verbergen kann.“ (Lexikon des internationalen Films)

„Die zornigen jungen Männer“ wurde von der Filmkritik wenig positiv besprochen, aber das erklärt nicht, warum der unterhaltsame und abwechslungsreiche, zudem prominent besetzte Streifen fast vollständig aus dem Kino-Gedächtnis verschwand. So inkonsequent seine Mischung aus moralischem Zeigefinger und Gesellschaftskritik sein mochte, sie entsprach dem damaligen Zeitgeist. Deutlich wird in Wolf Rillas Film, dass die „sexuelle Revolution“ 1960 schon voranschritt. Freds Aufforderung an Kirsten griff früh einen Slogan aus den 68ern auf, wurde hier aber noch als negatives Beispiel eines dekadenten Lebenswandels hingestellt. Geholfen hat es nicht. Dem Film erging es wie vielen „Moral-Filmen“ seiner Zeit, die einerseits vor den Verwerfungen einer sich wandelnden Sozialisation warnten, gleichzeitig aber die Sex-Thematik als Aufhänger nutzten. Kombiniert mit der Kritik an einem Wirtschaftswunder-Kapitän – so dezent und wenig generell diese auch ausfiel – wagte sich Rilla damit gleich zweifach auf vermintes Feld. Offensichtlich zu früh, aber heute ein sehr guter Grund, den Film wieder zu entdecken. 

"Die zornigen jungen MännerDeutschland 1960Regie:Wolf RillaDrehbuch:Will Berthold (Roman), Darsteller :Hansjörg Felmy, Joachim Fuchsberger, Horst Frank, Dawn Addams, Hans Nielsen, Gisela Tantau, Armin Dahlen, Laufzeit : 83 Minuten

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